Ryley Walker – Deafman Glance

Ryley Walker

Hört – und sieht – man den 28jährigen Ryley Walker, denkt man zunächst wahrscheinlich an einen weiteren von vielen jungen Singer/Songwritern. Rein oberflächlich bringt der US-Amerikaner auch das nötige Rüstzeug mit, doch seine Musik spricht eine andere Sprache. Zwischendurch lassen sich ein Kontrabass, ein Saxophon und diverse Tasteninstrumente blicken – Blues, Folk, Indie und Jazz geben sich sozusagen die Klinke in die Hand. Daran hat sich auch auf dem mittlerweile fünften Studioalbum „Deafman Glance“ nichts geändert.

Wie eigenständig und doch vertraut Walker klingt, stellt er bereits im Opener „In Castle Dome“ unter Beweis. Seine einfühlsame Stimme trägt unheimlich viel Charakter und, für sein junges Alter, Lebenserfahrung in sich. Die reduzierte Instrumentierung flirtet zunächst mit Country und spielt sich mehr und mehr in einen ruhigen Wirbel. Es flirrt schon mal ein wenig jazzig durch die Luft, dann wieder herrlich entspannt – ein Rezept, dem sich auch das folgende „22 Days“ mit seinem verspielten Instrumental-Abschnitt verschrieben hat.

Überlange hat auf „Deafman Glance“ Methode und schmückt auf den ersten Blick harmlose, handzahme Arrangements geschickt aus. Ein „Telluride Speed“ mutet anfangs wie die Unschuld am Lande an, bevor sich frühlingshafte Keyboard-Spielereien und angedeutete Jazz-Kadenzen ihren Weg bahnen. Was wie das Ende wirkt, führt immer wieder zum Neubeginn und lässt einen großartigen Track gewaltig anschwellen. Mit „Spoil With The Rest“ zieht Walker abschließend noch die Folk-Hörer auf seine Seite, wenn er gemütlich und doch mit einem gewissen Schalk im Nacken durch das Arrangement tänzelt.

Feinsinnige Detailarbeit trifft auf methodischen Minimalismus: Was wie ein Widerspruch in sich klingt, macht „Deafman Glance“ zu einer weiteren hochspannenden Platte in Ryley Walkers bereits großartigen Diskographie. Der Noch-Zwanziger aus Chicago pflügt den klassischen Singer/Songwriter-Acker mit noch klassischeren, uramerikanischen Sounds der letzten 50 bis 60 Jahre um – stets organisch, stets in sich sinnig, stets mitreißend. Von den mitreißenden Texten ganz zu schweigen. Warum Walker immer noch nur bestenfalls ein Insider-Thema ist, bleibt nach der x-ten starken Platte ein Mysterium.

Ryley Walker - Deafman Glance

Deafman Glance
VÖ: 18.05.2018
Dead Oceans (Cargo Records)

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