Paul Cauthen – Room 41

Paul Cauthen
(c) Jody Domingue

Als eine Art Hoheprediger lieh Paul Cauthen einst dem Duo Sons Of Fathers seine Stimme, doch erst mit dem Solodebüt „My Gospel“ gelang ihm 2016 der Durchbruch in der Alternative-Country-Szene. Mit Soul in der Stimme und Gospel im Herz erreichte er musikalisch Großes, während die Probleme auf privater Ebene zunahmen. Cauthen verlor sein Haus, lebte zwei Jahre lang in einem Hotelzimmer und fand sich schnell in einer Abwärtsspirale aus Alkohol und Drogen wieder, als er eine neue Platte schrieb. Mittlerweile geht es ihm besser, aus dem Hotel ist er ausgezogen. „Room 41“ – die Nummer seines Zimmers im Belmont Hotel Dallas – erinnert an eine bewegte Zeit und befreit sich aus tiefsten Tiefen.

„Cocaine Country Dancing“ leuchtet bereits an dritter Stelle auf, übernimmt dennoch eine zentrale Rolle für diese Platte in mehrfacher Hinsicht. Einerseits ist der Sound – eine Mischung aus (Alternative) Country, Soul, Gospel und Rock – urtypisch für „Room 41“, andererseits finden hier sämtliche Themenstränge zusammen. Es geht um Exzess und Absturz, um Lust und Erlösung. Cauthen spielt laufend mit biblischen Motiven, geschickt in das Hier und Jetzt verfrachtet, musikalisch zudem hochspannend instrumentiert. Der Opener „Holy Ghost Fire“ kann ebenso ein Lied davon singen, und tut es auch. Der herrlich verschleppte und doch eindringliche Rhythmus, der Schmelz in der Stimme, der an den King erinnernde Chorus – abermals stimmt verdammt viel.

Vor allem ist dieses zweite Soloalbum immer wieder für kleinere Überraschungen gut. Wie sich „Angel“ aus dem Nichts zu einer leidenden, emotional aufgeladenen Hymne aufschwingt, bewegt. So simpel und understatet die Strophen klingen, so gewaltig schwellen die Stimmbänder mit fortlaufender Spieldauer an. Selbst die stellenweise recht kitschige Country-Piano-Ballade „Lay Me Down“ zum Abschluss versprüht einen gewissen Reiz, während das verruchte, durchaus tanzbare „Big Velvet“ weltliche Laster prima auf den Punkt bringt. Hierzu lassen sich prima die Hüften kreisen, wie auch zum lässigen 70s-Funk von „Freak“.

Der Phönix schießt aus der Asche: Jede Sekunde von Cauthens privatem Abstieg, als er sein Innerstes durch die Einnahmen bestimmter Substanzen für selbstzerstörerisches Songwriting offenlegte, wühlt im besten Sinne auf. Musikalisch so und so über jeden Zweifel erhaben – die immer wieder zu lesenden Vergleiche mit den Highwaymen des Country mögen hochtrabend, wohl aber nicht gänzlich von der Hand zu weisen sein – blüht „Room 41“ nun auch auf sämtlichen lyrischen Ebenen aus. Paul Cauthen versenkt das Herz tief in der Mördergrube und bringt eine packende Platte hervor – bitte nicht zuhause nachmachen, sondern einfach nur genießen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 06.09.2019
Erhältlich über: New West Records / PIAS (Rough Trade)

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