Grand Hotel Schilling – Polar
Das wohl zweitschönste Grand Hotel der deutschsprachigen Musikwelt öffnet erneut seine Pforten. Im Spätsommer 2021 legten Grand Hotel Schilling aus Graz und Wien ihr charmantes erstes Album „Mir wär lieber wir bleiben hier“ vor und traumwandelten durch faszinierende (Post-)Indie-Szenerie. Für den Nachfolger wurde die Reizüberflutung einfach mal intensiviert, von widersprüchlichen Gefühlen inmitten knallbunter Gitarrenpop-Ästhetik angetrieben. „Polar“ wagt sich weiter hinaus und entdeckt die dunklen Seiten des schillernden Kaleidoskops.
Herrlich hibbelige Klangwelten begleiten „Zwischen Kummer und Schade“ und täuschen etwas darüber hinweg, dass der Protagonist mit Schuldgefühlen ringt – ein buntes, schräges Stück Musik, absolut ohrwurmtauglich und letztlich doch so zermürbend. Das ist gewissermaßen die große Kunst von Grand Hotel Schilling, die sich im Opener „Was noch da war“ von einer Beziehung verabschieden. Wenn die rosarote Brille abgelegt wird, bleiben viele Fragen zurück. Die entsprechende Untermalung widmet sich Yacht-Pop und Synthie-Meeren – abermals unerwartet und ungewöhnlich, abermals richtig gut.
Das Ringen mit dem Selbst um Fassung thematisiert das wortgewandte „Ohne Hände“. Emotionale Taubheitsgefühle legen sich über beateske, geschickt ernüchternde Klangkonstrukte, deren omnipräsente Schwere erstickt. Im drückenden „Bitte frag mich“ will das eigene Befinden auf keinen Fall thematisiert werden. Hinter selbsterrichteten dicken Wänden lauert Zerrissenheit, hier recht tanzbar umgesetzt. Und dann ist da noch „Auf in die Nacht“, dieses wilde, lässige Stück Gitarrenpop, das versucht, alleine klarzukommen, und nicht so recht weiß, ob der Status Quo nun gut oder schlecht ist.
Was hingegen mit absoluter Sicherheit gut ist: „Polar“. Nach nicht einmal einer halben Stunde ist schon wieder Schluss, was angesichts des emotionalen Rundumschlags aber in Ordnung geht. Danach muss man erst einmal kräftig durchatmen … und die Repeat-Taste drücken, um die Text-Musik-Schere mit allen Sinnen zu erfassen. Der noch poppigere, verwaschenere Ansatz bekommt Grand Hotel Schilling richtig gut, geht locker als sinnige Weiterentwicklung durch und brennt sich in aller Tiefenentspannung ein. Zweites Album schwerstes Album? Von wegen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 22.03.2024
Erhältlich über: RAIN Records
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