Keine Übung – Singer-Songwriter zu Pflugscharen

Keine Übung
(c) Dovile Sermokas

Musikalische Regeln sind dazu da, mit Wonne gebrochen zu werden. Jan Frisch hat hörbar Spaß daran. Der Gitarrist der Alin Coen Band wagte vor einem Jahr mit Aua Aua fragmentierte Sinnsuche zwischen Krautrock, Jazz und Liedermacherei. Bei letzterem Genre blieb er hängen und bricht dieses im Bandformat nun auf. Keine Übung ist die lauteste Singer-Songwriter-Formation der Welt und verbindet den Bruch von Hörgewohnheiten mit intellektuellem Anspruch. „Singer-Songwriter zu Pflugscharen“ entpuppt sich als kleines Glanzlicht.

Natürlich hat Frisch keinerlei Bock, den klassischen Singer/Songwriter-Stiefel durchzuziehen. Das beweist bereits die Doppelbödigkeit von „Würde es Ihnen etwas ausmachen draußen weiterzutelefonieren“. Neben dem überlangen Songtitel macht der Umgang mit störenden Nebenschauplatz zwischen durchaus hibbeligen Gitarren, unorthodoxer Rhythmik und hektisch runtergeratterten Lyrics einiges her. Da schwingt natürlich ein Hauch von Jazz-Akrobatik mit, bohrt sich allerdings tief ins Quellenmaterial ein. Die Reduktion von „Ich reg mich auf“ skandiert sich urplötzlich ins Falsett, pfeift eine endlose Melodie und zupft sich schließlich ins Nirgendwo – was ist hier gerade passiert?

Diese Frage stellt sich auch nach „Am Ende bin ich auch nur eine Agentur und muss schauen ob das für mich Sinn macht“. In 14 Sekunden singt Frisch den Songtitel und klinkt sich wieder aus. Die verquere Antithese „Bluesfasching in Holzdorf“ kommt immerhin auf das Dreifache mit instrumentalem Charme. Zwischenzeitlich skandiert „Zwanzigneunzehn“ wilde Phrasen, bricht „Viel Erfolg mit der Musik“ mit Rhythmus und Hörgepflogenheiten, pendelt „Katastrophenmeldung vom Luxusdampfer der Unannehmlichkeiten“ zwischen Fingerpicking, wüstem Swing und derben Untertönen.

Die Schultern zucken heftig und wiederholt. Was hier gerade passiert ist? Mit absoluter Sicherheit lässt sich das nicht sagen. Wie ein Derwisch fegen Frisch und Band durch das Liedheft, schnippen Mottenkugeln ins Lagerfeuer und rühren die angesabberte Suppe im Fünf-Achtel-Takt gegen den Uhrzeigersinn. „Singer-Songwriter zu Pflugscharen“ ist ein Anti-Genre-Album, das sich an den besten Elementen des Genres bedient und mit Abschaffung der Scheuklappen torpediert. Keine Übung wirken wie die logische Fortsetzung von Aua Aua und offenbaren großartige Musikalität, wenn man denn die nötige Geduld für diesen charmanten, wohl aber auf eine harte Probe stellenden Wahnsinn mitbringt. Wie schon bei Frischs letztem Schauplatz lohnt es sich auch hier.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 06.09.2019
Erhältlich über: Viel Erfolg mit der Musik (Timezone)

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