Life Of Agony – The Sound Of Scars
Ein großer personeller Umbruch führt bei Life Of Agony zur Rückbesinnung auf die Anfänge. Drummer und Urgestein Sal Abruscato ist von Bord gegangen und mit ihm verschwinden die düsteren, zwischen Gothic und Grunge pendelnden Einflüsse, die „A Place Where There’s No More Pain“ vor zwei Jahren beflügelten. Mit Neuzugang Veronica Bellino an den Fellen denken Mina Caputo und Mannschaft ihr bahnbrechendes Debütalbum „River Runs Red“ weiter. „The Sound Of Scars“ knüpft musikalisch und lyrisch an das bahnbrechende Werk aus dem Jahr 1993 an.
Mit dem Suizidversuch des Protagonisten von „River Runs Red“ ist die Geschichte also nicht abgeschlossen. Vier kleine Hörspiele liefern die Fortsetzung – er überlebt, kämpft mit den Nachwehen und wird auch 26 Jahre später, als verheirateter Mann, noch von den Schatten seiner Vergangenheit gepeinigt. Passend dazu orientieren sich Life Of Agony – stärker als zuletzt – am groovenden Alternative Metal der Anfangstage, ruppige Produktion inklusive: „Scars“ nimmt die Rettungssirenen mit und springt arschlings ins Geschicht. Der leicht schmierige Groove, von scheppernden Drums begleitet, passt wie vor einem Vierteljahrhundert. Das gewaltige „Lay Down“ mit seinem losgelösten, (anti-)hymnischen Refrain brennt sich sofort ein.
Auch im Erwachsenenleben schließen sich die Wolken immer wieder. Das sprichwörtliche „Weight Of The World“ lastet auf den Schultern, obwohl gerade hier der Refrain leicht sonnige Noten offenbart. Diese zynische Komponente kommt gut und steht perfekt im diametralen Gegensatz zu „Once Below“. Mina Caputo duelliert sich im Chorus mit Nu-Metal-Shouts, dahinter steckt ein wuchtiges Crossover-Arrangement mit punkigen Untertönen. Kann man altbacken finden, brennt sich aber mit seiner schieren Wucht ein. Nach dem letzten Hörspiel, dieses Mal beim Therapeuten, zieht „I Surrender“ in den Abgrund. Ob nach diesem düster-doomigen, ellenlangen Rausschmeißer die Erlösung oder der endgültige Untergang steht?
Ob nun alles vorbei ist oder der Nebel sich endlich lichtet, verrät nur die eigene Auseinandersetzung mit diesem Album. Nein, natürlich ist „The Sound Of Scars“ kein zweites „River Runs Red“ geworden. Doch das hat keine qualitativen Gründe, denn nach mehr als einem Vierteljahrhundert sind alleine schon die Vorzeichen ganz andere. Life Of Agony verwalten das Erbe nicht einfach nur, sie denken es auf anspruchsvolle Weise weiter, liefern durch die Bank starke bis eingängige Tracks und rücken das überaus wichtige Mental-Health-Thema in den Mittelpunkt. Ein absoluter Überraschungshit.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 11.10.2019
Erhältlich über: Napalm Records (Universal Music)
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