Friedemann Weise – Das Weise Album

Seher der „heute-show“ und Frequentierer von Kleinkunstbühnen sind mit Friedemann Weise bestens vertraut. Der Liedermacher und Satirist ist aber kein reiner Comedy-Künstler, sondern begnadeter Songwriter und gewitzter Beobachter mit messerscharfem Blick. Ab und an veröffentlicht der 47jährige Alben, wobei das letzte bereits acht Jahre auf dem Buckel hat. Unter der Ägide von Jungproduzent Nicolas Epe (u.a. The Screenshots) entstand „Das Weise Album“.
Die verzögerte Pointe mit später Auflösung zählt zu Weises Lieblingsstilmitteln. Bereits das eröffnende „Personal Coach“ arbeitet mit einer solchen. Indie, Folk und Noir türmen eine Minute Schwermut auf, dann zuckt das Banjo zum Aha-Erlebnis. Deutlich schwungvoller, beinahe tanzbar gibt sich „Kaffeemann“. Das Faible für das Heißgetränk mündet in einem Schaumsolo. Hat man so noch nicht gehört, kommt mindestens so gut wie der Synthie-Pop zum pointierten „Samenstau auf der Pimmelparade“ mit freundlichen Grüßen an die toxische Männlichkeit.
Solche ‚Grüße‘ gehören ebenfalls zu den Werkzeugen des Liedermachers. Sein Sezieren des Social-Media-Sumpfes in „Twitter-Song“ entlarvt die längst verschwunde Gesprächskultur in 280 Zeichen und grüßt die Nazi- und Bot-Front. Besorgte Bürger sind das Thema von „Wenn 68er 68 werden“ und beobachtet die Wandlung von friedensliebenden Hippies zu baldsenilen Rechtsauslegern. Zur Auflockerung verzichtet „Schüchterner Mike“ auf die erwartete Katastrophe und lässt den Protagonisten Großes erreichen, ohne dabei seine zurückhaltende Komfortzone zu verlassen. Und wenn schließlich alles zu spät ist, verursacht der Rausschmeißer „Warum laufen hier alle nackt rum“ Bauchschmerzen vor Lachen. Es lohnt sich übrigens, nach dem Ende der Platte dranzubleiben.
„Das Weise Album“ ist wesentlich mehr, wesentlich bunter und vielfältiger, als man zunächst vielleicht denkt. Natürlich kann Friedemann Weise unheimlich witzig sein, spielt geschickt mit den Erwartungen und malträtiert die Lachfalten mit wachsender Begeisterung. Und doch ist sich der Singer/Songwriter nie um einen pointierten Kommentar, eine unbequeme Beobachtung zu schade. Richtig gute, abwechslungsreiche und vielschichtige Arrangements krönen das Geschehen – eine Wohntat, Weise wieder im Albumformat zu erleben.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 31.07.2020
Erhältlich über: Staatsakt (Bertus)
Friedemann Weise @ Home | @ Facebook
„Das Weise Album“ @ Amazon kaufen