Another Sky – I Slept On The Floor

Another Sky
(c) Parri Thomas

Singt da ein Mann oder eine Frau? Besser gesagt: Sollte das nicht eigentlich egal sein? Über Catrin Vincents Stimme wird seit der ersten Single ihrer Band Another Sky heftig debattiert, weil diese eben ein wenig anders klingt. Gerade das macht den Reiz aus, denn sie kleidet den ohnehin bereits eklektischen Sound des britischen Quartetts – irgendwo zwischen Alternative Rock, Art und Gaze-Pop angesiedelt – in ein noch spektakuläreres Licht. Das Debütalbum „I Slept On The Floor“ befasst sich mit Austerität, mit geistiger Gesundheit und toxischer Männlichkeit, und zeugt von der Adoleszenz in einer rechts geprägten Stadt sowie den Alltagserfahrungen einer Frau in Großbritannien.

Die gemächliche Eruption von „Fell In Love With The City“ bringt so ziemlich alles, was diese Band großartig macht, aufs Tableau. Musikalisch zwischen Aufbruchsstimmung und Schwermut angesiedelt, übt sich Vincent in gekonnter Vokal-Akrobatik, stellenweise etwas an Bon Iver erinnernd, sogar ein wenig Kate Bush mitnehmend. Das Spiel mit hohen Registern, die Tonleiter stets ein wenig strapazierend, kommt gut, während es musikalisch sogar gelegentlich in Richtung Post Rock mit Piano und bratenden Gitarren geht. Solche Post-Aufbauten gibt es auch an anderen Stellen, darunter „All Ends“. Hier deuten Another Sky die Grundidee allerdings in ätherische, beinahe balladeske Fallstudien um. Das funktioniert ebenfalls exzellent.

Überhaupt ist dieses „I Slept On The Floor“ eine musikalische Wundertüte geworden. „Life Was Coming In Through The Blinds“ spielt weit vorne mit. Fast der gesamte Song befasst sich mit fragilem Minimalismus, bevor ein pulsierender Bass und ein hektischer Drumloop das Heft in die Hand nehmen, gen verwirrende Tanzbarkeit entführen. Wieder etwas weiter spielt „Brave Face“ mit frühem 90s-Alternative, der in die Anfänge des Glum-Pop mündet – große Gefühle, große Schwere, große Leere, dabei doch so harmonisch und bezaubernd mit einem überlebensgroßen Elbow-Finale. „Tree“ hebt ähnlich ab nach seinem endlosen, fragilen Aufbau mit isländischer Note. Schließlich bricht die vermeintliche Sonne durch die Wolken, die Elemente fügen sich.

Für Another Sky scheint der Weg das Ziel zu sein, und das finden diese neuen Songs immer. Das gekonnte Spiel mit Laut-Leise-Dynamik, mit Genre-Erwartungen und mit einer großartigen wie mystischen Stimme bekommt „I Slept On The Floor“ richtig gut, zumal sich unter der Oberfläche intelligente, aufwühlende Texte verbergen. Am Art-Chic der Briten kann man sich gekonnt die Zähne ausbeißen. Man kann sich aber auch einfach nur fallen und verzaubern lassen, während die grauen Zellen mitrattern – ein beeindruckender Einstand.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 07.08.2020
Erhältlich über: Fiction Records / Caroline (Universal Music)

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