Val Sinestra – Zerlegung

Val Sinestra
(c) Christoph Eisenmenger

Vor drei Jahren gerieten sie unter Druck, jetzt zerlegen sie einfach alles. Die Rede ist von Val Sinestra. Das Berliner Punk-Quartett veröffentlichte seinen Einstand vor drei Jahren und supporteten in weiterer Folge The Bronx sowie Frank Carter & The Rattlesnakes. Tatsächlich hört man das der Band auch an, denn ihr Ansatz ist zugleich rockig und von Hardcore-Elementen durchdrungen. Auf „Zerlegung“ kotzen sich Val Sinestra nun einmal mehr gekonnt aus und ziehen ihren Stiefel souverän durch.

Ein Song wie „Seuche“ verweigert sich konsequent jeglicher Einordnung und klappt nicht zuletzt deswegen so prima. Die halb gesungenen, halb gesprochenen Strophen haben fast schon Crossover-Potenzial, dann reitet der Uptempo-Punk gen Ohrwurm. In „Auftakt“ ist davon nichts zu hören. Die Flut an Bildern und Szenen trifft auf ein düsteres, brutales Arrangement, das binnen Sekunden den Schalter von Post-Punk-artigen Klängen zu einer feinen Prise Hardcore umlegt. „Was läuft hier falsch?“, fragen Val Sinestra über den gesellschaftlichen Status Quo. Eine Antwort gibt es nicht – wie auch? Zwischendurch lockert „Dreck“ das Geschehen auf mit vergleichsweise melodischen Ausritten und der gelegentlichen kernigen Brechstange.

Zudem haben es ein paar Gäste auf diesen Zweitling geschafft. Jo von Milliarden tritt in „Königin“, einer der eingängigsten Songs dieser Platte, auf. Die Street-Punk-Exkursion kommt gut und bleibt sofort hängen. Vizediktator geben sich ebenfalls ein Stelldichein. „Alltag“ zählt zu den Highlights dieses Albums und packt ordentlich schroffen Spirit aus. Ein weit aufgebrochenes Arrangement lässt beinahe so etwas wie eine Jam-Situation erkennen, man feuert sich die Spielbälle zu und drückt mal eben ein paar bissige Zeilen rüber. Stark gibt sich auch „Fin.“, der erste Vorbote dieses Albums. Musikalisch vergleichsweise geradlinig und eingängig angelegt, kanalisieren Val Sinestra ihre Angepisstheit in Haltung.

Der raue Tone, die verkappte Harmonie und die kurzweilige Eigensinnigkeit machen „Zerlegung“ groß. Wie nicht anders zu erwarten war, nehmen Val Sinestra keine Gefangenen und ledern einfach los, ganz lässig und stets wütend. Besagte Wut, eben jene Angepisstheit hat allerdings Methode, Konsequenz und Hintergrund. Die Berliner sind mit der Welt nicht zufrieden und bringen das ganz deutlich zum Ausdruck. Dass dabei richtig starke Tracks zwischen schroffen Hardcore-Attacken und melodischem Punk-Feinsinn herauskommen, ist ein willkommener Bonus. Auf dass sie bald wieder sämtliche Bühnen gebührend ‚zerlegen‘ können.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 27.11.2020
Erhältlich über: This Charming Man Records (Cargo Records)

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