Less Than Jake – Silver Linings
In einem Horrorjahr lauert die Hoffnung ganz am Ende. Nein, es geht ausnahmsweise nicht um die US-Präsidentschaftswahl, sondern um den sprichwörtlichen Silberstreif am Horizont. Oder, noch besser, gleich mehrere. Genau die haben Less Than Jake im Gepäck, die ihr erstes Album seit sieben Jahren mitbringen. Auf „Silver Linings“ müssen die Ska-Punk-Veteranen erstmals ohne Gründungsmitglied Vinnie Fiorello und somit ohne ihren Haupttexter auskommen. Mit diesem vermeintlichen Manko geht das Quintett aus Florida aber gewohnt locker um.
Less Than Jake wollten ein Bekenntnis zur Menschlichkeit in Zeiten steter Gewalt, Unsicherheit und Depression schaffen, und genau das ist auch gelungen. „The High Cost Of Low Living“ eröffnet die neue Platte gewohnt fieberhaft mit packendem Ska-Punk, hohem Tempo und guter Laune. In knapp 160 Sekunden drehen die US-Amerikaner die Zeit zurück und feiern. „Monkey Wrench Itself“ sprintet mit Karacho aus den Boxen und im herrlich lässigen „So Much Less“ bleibt sogar Zeit für ein kleines Saxofon-Solo nebst Pop-Punk-Einschlag. Kann man machen, unterhält.
Eine gewisse Verletzlichkeit hält ebenso Einzug auf „Silver Linings“. Songs wie „The Test“ verstecken einen doppelten Boden hinter einem überdimensionalen, hymnischen Refrain, der sich mit nicht immer ganz einfacher Selbstreflektion befasst, während „Dear Me“ den Verlust von Freunden durch Distanz, Trägodie und Technologie in ein weiteres harmonisches Muskelpaket packt. Der kantige Rock-Einschlag von „Bill“, eine Hommage an den legendären Descendents-Drummer und Produzenten Bill Stevenson, brennt sich sofort ein. Dort wartet bereits der tanzbare Ska-Leckerbissen „Anytime And Anywhere“ mit seinem packenden Refrain.
Es ist ein häufig bemühtes Klischee, doch Less Than Jake klingen tatsächlich, als wären sie nie weg gewesen, und zeigen sich in bestechender Form. „Silver Linings“ bringt Bewegung in jede Party und lässt jetzt schon Vorfreude auf die Rückkehr auf große (und kleine) Konzertbühnen aufkommen. Souverän, routiniert und doch zu keiner Zeit behäbig oder gar genügsam – auch nach bald drei Jahrzehnten bleiben Less Than Jake eine Macht und liefern einen mehr als kurzweiligen Schlusspunkt hinter ein anstrengendes Jahr.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 11.12.2020
Erhältlich über: Pure Noise Records (Membran)
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