High Vis – Guided Tour

High Vis
(c) Brage Pederson

Ja, sie kommen immer noch aus dem Hardcore. Ja, sie häuten sich musikalisch weiterhin. High Vis haben keine Lust, ihre Wurzeln zu ignorieren, während ihre kreative Evolution die nächste Stufe erklimmt. Das Londoner Quintett spielt seit geraumer Zeit liebend gerne mit Punk, Alternative und Indie, will aber noch mehr. Auf ihrem dritten Album wird das Vertraute gefestigt und mit frischen Ideen versehen. Zudem bemüht „Guided Tour“ eine Art Ausbruch aus dem Alltag und versucht in Zeiten der Unruhe und Rastlosigkeit eine hoffnungsvolle Platte zu sein, ohne dabei auf die etatmäßige Wut zu vergessen.

Dieses Unterfangen wird in „Mind’s A Lie“ auf die Spitze getrieben. Dance-Punk ist ein neuer Sound für die Briten, der ihnen jedoch erstaunlich gut zu Gesichte steht. Pulsierender Beat, dicker Bass und feine Vocals versuchen sich aus einem finsteren, unheimlichen Club zu bugsieren. Die Stimmung ist gedrückt und doch hoffnungsvoll, während Graham Sayle wie ein übereifriger MC mit dem Mic hantiert. Reste davon finden sich auch im abschließenden „Gone Forever“. Das tauscht den finsteren Quasi-Dancefloor-Filler zwar gegen Post-Punk-getränkte Hektik ein, holt sich aber melodische und gesangliche Reste in dieses Finale, das somit immer weiter verfremdet und zerlegt wird, ohne jedoch seine Hoffnung zu verlieren.

Eine gewisse Widersprüchlichkeit bleibt auch in weiterer Folge greifbar, wie das bei High Vis nun mal zum guten Ton gehört. „Fill The Gap“ klingt abwechselnd nach Aufbruchsstimmung und Beinahe-Kapitulation, geht aus sich heraus und ringt dabei konstant um Fassung. Die rasende Wut im Indie-Gewand von „Drop Me Out“ macht richtig viel Laune und trägt vertraute Hardcore-Elemente in Richtung Festival-Hymne. Auch das sollte nicht so gut zusammenpassen, doch brennt sich der große, massive Chorus binnen Sekunden ein. Die stete, brutale Dissonanz von „Mob DLA“ ringt mit der eigenen Kapitulation vor dem räudigen Umfeld, nur um mit „Untehtered“ eine aufwühlende und ehrliche Shoegaze-Eskapade voller Silbenstürme zu platzieren.

Noch befremdlicher, noch melodischer, noch besser – noch und nöcher drehen High Vis am Rad und schreiben ihre bislang vielleicht besten Songs. Ob ‚Hoffnung‘ tatsächlich die passende Überschrift für „Guided Tour“ ist, sei dahingestellt, doch ist immerhin Wut nicht mehr der einzige, entscheidende kreative Baustein. Der Mittelfinger rührt den kalten Kaffee in der angegammelten Tasse und findet dabei den Weg ins Übermorgen; es ist das krasse Spiel mit Gegensätzen, das die Londoner wie nur wenige andere beherrschen. Dass sie dabei selten so eingängig klangen und zugleich wieder einen Tacken sperriger werden, passt absolut ins Bild diese sympathischen, verdammt talentierten Truppe.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 18.10.2024
Erhältlich über: Dais Records (Cargo Records)

Website: highvisuk.com
Facebook: www.facebook.com/highvispunk