Red City Radio – Paradise
Eine kleine kreative Pause ist nie verkehrt. Das dachten sich wohl auch Red City Radio, als sie nach dem Release ihres selbstbetitelten Albums vor fünf Jahren deutlich langsamer machten und zwischenzeitlich nur eine kleine EP veröffentlichten. Und dann biegen sie in diesem Jahr mit einer Platte namens „Paradise“ ums Eck, weil: natürlich. Tatsächlich war das Album bereits vor Covid fertiggestellt, passt allerdings hervorragend zur ermattenden Gegenwart. Zudem streckt sich das Quartett aus Oklahoma musikalisch ein wenig.
Der bedrückende Opener „Where Does The Time Go?“ bringt eine frische Niedergeschlagenheit in den Sound der US-Amerikaner ein. Das mag wie ein Widerspruch in sich klingen, doch hat die lockere Schwere ebenso Charme wie die Beobachtung einer brennenden Welt in „100,000 Candles“. Vor Beginn dieses Jahres geschrieben, darf der hochgradig melodische Song durchaus als prophetisch gesehen werden. Zwischendurch rattert „Apocalypse, Please!“ durch hoffnungsvolle Untergangsszenarien mit dezenter Retro-Note. Ein Hauch von 60s- und 70s-Schmelz liegt in der Luft und unterhält.
Natürlich bleiben Red City Radio Gevatter Punk weiterhin erhalten. „Baby Of The Year“ arbeitet mit vertrauten Akkorden und großer Unterhaltung, während „Young, Beautiful & Broke“ die Brücke zu klassischen Rock-Riffs und -Harmonien schlägt. Im ellenlangen „Paradise“ überholt sich die Band gelegentlich selbst. Der Titelsong legt ausdauernde Ambitionen offen und macht seine Sache gut – unverschämt hymnisch, prägnant und schmissig in der wilden Überlänge. Der Rausschmeißer „Gutterland“ braucht hingegen keine zwei Minuten, um Staub aufzuwirbeln und sich optimistisch zu verabschieden.
Souverän, kurzweilig und unterhaltsam: Red City Radio denken ihre bisherigen Releases mit insgesamt mehr Rock fort, bringen eine gewisse Melancholie ein und finden letztlich doch zurück zu hoffnungsvollem Optimismus. Irgendwie muss es weitergehen, und „Paradise“ ist der Motor für eine bessere Zukunft. Zwölf sympathische Songs spenden gute Laune, dicke Melodien und ein paar Riffs aus den Annalen der amerikanischen Rock-Geschichte – es kann manchmal so einfach und doch so gut sein.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 04.12.2020
Erhältlich über: Pure Noise Records (Membran)
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