Capstan – Separate

Capstan
(c) Dieter Unrath

Mit mehreren Millionen Streams für ihr Debütalbum und abgefeierten Konzerten gingen Capstan direkt durch die Decke. Das Quintett aus Orlando, Florida heimste begeistertes Feedback für den Erstling „Restless Heart, Keep Running“ ein. Dann kam der komplette Shutdown, in dem einerseits Zeit für Kreativität blieb, der jedoch andererseits ungeahnte Belastungen barg. Gitarrist Joe Marby erlebte schwere Depressionen aufgrund seiner Scheidung, und so bringen die Texte eine gewisse Düsternis mit. „Separate“ deutet sie bereits im Namen an.

Musikalisch wurde der etwas ungewöhnliche, progressiv angehauchte Post-Hardcore-Ansatz, der immer schon mit Rock, Emo und Pop-Punk kolliderte, konsequent weiterentwickelt. „Shades Of Us“, einer von Marbys Songs über seine Ex, durchlebt gleich mehrere Metamorphosen. Wütende, brachiale Eruptionen kollidieren mit modernen Pop-Ansätzen, dann öffnet sich der erste von vielen großen Refrains mit hymnischer Stoigkeit und Explosivität. Die Stimmung kippt gleich mehrfach, bewegt sich zwischen Radio, beinahe Djent-artigen Riffs und vereinzelten Feuerzeug-Momenten. Das dürfte eigentlich nicht so gut funktionieren, tut es aber.

An anderer Stelle erfüllen sich Capstan eine Art Jugendtraum und holen Shane Told von Silverstein ins Studio. Der gemeinsame Track „Alone“ ist ein Leckerbissen geworden, denn zwischen dem bewegenden Klargesang im Refrain und den beißenden bis bellenden Strophen werden sämtliche Register gezogen. Hingegen klingt „Sway“ mit Charlene Joan nach Pop mit Singer/Songwriter- und Folk-Einschlag – sehr unorthodox und ein vielleicht zu krasser Spagat zur restlichen Platte. Besser macht es da „Take My Breath Away // Noose“, dessen pulsierender Bass und Pop-Punk-Anstrich gekonnt ins Ohr geht. Und auch „Tongue-Biter“, gleichzeitig unverschämt eingängig und derb, brennt sich ein.

„Separate“ versucht unzählige Einflüsse zusammenzubringen, was nicht immer perfekt funktioniert, aber fast durchgehend richtig gut unterhält. Spürbare Wut und Verzweiflung treffen auf raffinierte Hooks und unerwartete, zuweilen krasse Experimente zwischen Pop und sogar Folk. Capstan haben hörbar Spaß am Wildern in möglichst vielen Schubladen und meistern nahezu alle Disziplinen. Über allem thront jedoch die bleierne Schwere der lyrischen Gefühlswelt, bezaubernd und magisch wie ernüchternd und zerstörerisch. Somit bleiben Capstan auf der Überholspur mit einer zweiten, richtig guten Platte.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 23.07.2021
Erhältlich über: Fearless Records / Spinefarm Records

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