Dirty Talons – Dirty Talons
Als sich die österreichischen Punk- und Rock-Veteranen Astpai nach knapp zwei Jahrzehnten auflösten, hatten drei Mitglieder bereits ein neues heißes Eisen im Feuer. Das Sextett Dirty Talons veröffentlichte bereits zwei EPs und supportete unter anderem The Deadnotes. Im vergangenen Jahr wurde das erste komplette Album eingespielt. Das Sextett mit Sängerin Jess Howells an vorderster Front beleuchtet universelle innere und zwischenmenschliche Themen aus diversen Perspektiven, stellt dich passenderweise musikalisch ähnlich breit auf. Schlicht „Dirty Talons“ betitelt, rennt der vielschichtige Erstling offene Türen ein.
Bereits der Opener, der ebenfalls „Dirty Talons“ heißt, bringt den Sound des österreichischen Sextetts prima auf den Punkt. Ein gewisses Faible für Hard Rock mit 80s-Chic ist offenkundig, während Howells Gesang vergleichsweise poppig und doch eindringlich rüberkommt. Dann folgt nach etwa einer Minute die erste von vielen Eruptionen, irgendwo zwischen Hardcore, Punk und Black Metal. Kvelertak lassen grüßen, während komplettes Chaos ausbricht, nur um im nächsten Moment vom einem Van Halen-Lick zerlegt zu werden. Im folgenden „Bang Bang“ (Wrestling-Referenzen mit offenkundigem Faible für die Three Faces of Foley gehören zum guten Ton) kommen derlei hymnische Rock-Vibes noch besser durch.
08/15 sucht man hier vergebens, denn Dirty Talons fühlen sich musikalisch hin- und hergerissen. Da wäre beispielsweise das drückende und doch zurückgenommene „Boiler Room“, ein Anti-Brawl von ausgesuchter Heavyness und Eingängigkeit. Sympathisch ist auch „Bottom Line“, das von einer gewissen Sehnsucht durchzogen scheint, angenehm getragen und anmutig. Im Gegensatz dazu zeigt sich „No Contest“ giftig, punkig und forsch, ohne dabei jedoch auch nur ansatzweise auf Ohrwurm-Qualitäten zu verzichten. Wer hingegen die metallische Intensität des Openers vermisst, wird im kuriosen wie mitreißenden „Mind Games“ schnell fündig.
Alles andere als gewöhnlich und geradlinig, dafür immer frei von der Leber weg: Was Dirty Talons fabrizieren, sollte auf dem Papier nicht zusammenpassen, und doch kommt man von dieser herrlichen Eigentümlichkeit nicht los. Der eponyme Einstand verbreitet Chaos und Wahnsinn, ist zugleich voller starker Riffs und Licks, hymnischer Hard-Rock-Weisheiten und glänzt mit poppigem Charme. Starke Empowerment-Texte mitten aus dem Leben runden dieses mächtige Gesamtpaket ab. Ist das erste Erstaunen ob der wilden Mischung erst einmal überwunden, wartet ein von vorne bis hinten stimmiges, spannendes Album, dem man sich nicht entziehen kann. Geschweige denn will.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 13.10.2023
Erhältlich über: Noise Appeal Records (Sony Music)
Facebook: www.facebook.com/dirtytalons