Courtney Barnett – Things Take Time, Take Time
Nach dem Ende der letzten Tour zu „Tell Me How You Really Feel“ schrieb Courtney Barnett eine Zeit lang nur wütende Songs. Sie war sauer, mit sich selbst nicht im Reinen, musste sich erst wieder durch ein paar Solo-Shows freispielen. Plötzlich kam die positive Energie zurück, auch in der langen Periode des Alleinseins in den eigenen vier Wänden, und legte den Grundstein für eine deutlich offenere Platte. „Things Take Time, Take Time“ bemüht sich um noch mehr Ehrlichkeit und entfernt sich zugleich musikalisch vom Vorgänger, zurück zu den lockeren Strukturen ihrer ersten Alben.
Die Anleitung, um aus dem eigenen Blues zu kommen, liefert Barnett gleich mit: „Write A List Of Things To Look Forward To“ ist eine kurze, pointierte Schrammelnummer, die beste Laune verbreitet, die sich um Freundschaft bemüht und zugleich eine feine Prise Frühling in sich trägt. Die charmante Indie-Nummer hat das Zeug zum Hit, ebenso wie das knapp gehaltene „Take It Day By Day“. In dieser weiteren Anleitung zum glücklicheren Leben treffen Weisheiten mit Augenzwinkern auf ein leicht schräges, kurzweiliges Arrangement – fast schon mehr Skit als Song, aber eben auch richtig bezaubernd.
Und doch gibt es noch viel zu tun, befindet der Opener „Rae Street“, dessen einzige Gewissheit im Sonnenaufgang liegt. Diese sehnsüchtige Nummer mit unvermitteltem Fast-Pop-Refrain redet die Dinge nicht schön, erkennt den Fatalismus der Dinge, und bemüht dennoch dynamischen Elan. Hingegen entpuppt sich „If I Don’t Hear From You Tonight“ als unerwarteter, überschwänglicher Lovesong, so vorwitzig wie federnd. Und dann ist da noch „Oh The Night“, diese oberflächlich melancholische Episode samt suchendem Klavier, etwas unsicher und doch bestimmt – quasi die kleine Schwester des federleichten wie zermürbenden „Here’s The Thing“.
Schemenhafte Skizzen kehren verstärkt in den Barnett’schen Sound zurück, fast wie eine Antwort auf das weitestgehend ausformulierte, kompakte „Tell Me How You Really Feel“. In der Umkehr der Gewalten liegt Ausdrucksstärke, findet sich eine ganz andere Art der Leidenschaft. Denn selbst wenn die einzelnen Lieder eher locker in ihrer Abfolge wirken, ist die Aussage, ist das Gesamtkonzept dahinter doch konkreter Natur. „Things Take Time, Take Time“ sagt klipp und klar, dass das Leben in weiten Teilen eigentlich schön sein kann, auch wenn es rundherum mal richtig mies läuft. Die Suche nach dem individuellen Idyll rüstet für neue Herausforderungen, und so findet Courtney Barnett Kraft in schwierigen Phasen. Genau dies spendet ihre neue, sympathische Platte.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 12.11.2021
Erhältlich über: Marathon Artists (Rough Trade)
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