Blow – Shake The Disease

Blow
(c) Ella Herm

Digital ist nicht immer zwingend besser. Das erkannten auch Blow nach dem Release ihres ersten Albums „Vertigo“. Der Electro-Pop des Pariser Trios kam 2018 gut an, doch bereits kurze Zeit später stellte sich das Gefühl ein, man würde sich wiederholen. Geänderte Aufnahmemethoden führten zu analoger Instrumentierung, das Studio wurde gewechselt, selbst Gedanken über einen anderen Bandnamen kamen auf. Letztlich wurde wenige Tage vor dem Release bekannt, dass Blow sich auflösen würden. Das Vermächtnis „Shake The Disease“ bewegt sich zwischen musikalischer Nostalgie und lyrischer Dualität von Sein versus Schein.

An zweiter Stelle steht „Special“, und das wäre eigentlich die perfekte Überschrift für dieses Album. Dabei wirkt dieser beateske Track zumindest in der ersten Strophe vergleichsweise schroff, doch setzt sich schnell jener soulig-poppige Sound mit RnB-Untertönen durch, der sich wie ein roter Faden durch die Platte zieht – cool, lässig und wertig. Blow bringen ordentlich Gefühl mit, siehe und höre auch das semi-balladeske „Shake The Disease“ mit seiner zeitlosen, reduzierten Melodik oder das verwegene „Lost Your Soul“, das von seinem Weichzeichner-Einschub profitiert.

Gelegentliche wuchtige Exkurse reißen ebenso mit. „Otherline“ ist laut und druckvoll, aber auch langsam und anregend. Das bisschen 80s-Sleaze muss fast sein, die Bassline wickelt um den Finger. In „Free Fallin“ ist der Wumms ebenfalls zuhause, begleitet von etwas Funk mit dezenten Querverweisen auf die French-House-Szene. Dem eröffnenden „Meguro“ wohnt sogar die etatmäßige Tanzbarkeit inne, blubbernd umgesetzt, von einem weiteren pulsierenden Basslauf in Szene gesetzt. Hingegen bemüht „Scarlett Crush“ wieder den Kitsch und holt den Fahrstuhl ins geschmacksichere Radio.

Die erhoffte Häutung gelingt auf bestechende Weise: Blow erfinden sich neu, ohne sich wirklich neu zu erfinden. Dieses Kunststück, dieser Wechsel von digital auf analog bekommt dem Sound der Pariser bestens. „Shake The Disease“ ist ein Fels der Lässigkeit, ein Charmebolzen erster Güteklasse, ein Sammelsurium der Ohrwürmer. Sie sind French House, ohne French House zu sein, holen den Electro-Pop in die Studio-Situation und gehen selbst in den trendvertrauten Soul- und RnB-Nostalgie-Ozeanen nie unter. Diese zwölf Perlen bleiben sofort im Ohr und im Herzen hängen. Schade, dass die Reise schon zu Ende ist.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 14.01.2022
Erhältlich über: Allo Floride Records

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