Hot Chip – Freakout/Release

Hot Chip
(c) Mathilda Hill Jenkins

Nach gut zwanzig Jahren im Geschäft darf es schon mal etwas Nostalgie sein. Wobei, so ganz verklärt geht es bei Hot Chip selbstverständlich nicht vor sich. Während der unfreiwilligen Downtime richtete man sich ein eigenes Studio ein, wo man jederzeit nach Lust und Laune loslegen kann und konnte. Die elf neuen Songs, so die Vorwarnung, befassen sich mit einer Zeit, als Musik noch als Eskapismus diente, während man ihr heute kaum entkommen kann. Entsprechend widmet sich „Freakout/Release“ verschiedensten poppigen und elektronischen Klängen der letzten Jahrzehnte, die dennoch im typischen Bandkontext verhaftet sind.

Der Titelsong bewegt sich irgendwo zwischen den 80ern und 90ern, durchaus technoid und schroff, tanzbar und doch irgendwie smooth. Adamski lässt in „Freakout/Release“ grüßen, eine unerwartete Wendung. Auch „The Evil That Men Do“ fällt im besten Sinne aus dem Rahmen. Nein, hier gibt es nicht etwa Iron Maiden in Reinkultur, sondern Gospel und etwas Psych sowie pointierte Raps von Cadence Weapon. Der Kanadier trifft mit seinen Zeilen direkt ins Herz, während das Arrangement ringsum erstmals so etwas wie den Hauch einer Eskalation andeutet, die letztlich doch ausbleibt.

Inzwischen dreht sich das Rad weiter. Funk und Disco erhalten in „Down“ eine packende Bühne, das Ergebnis ist im besten Sinne sexy und wird von einem grandiosen Sample („More Than Enough“ von Universal Togetherness Band) noch einmal kräftig aufgewertet. Hingegen sucht „Hard To Be Funky“ mit Lou Hayter die Entspannung, verspielt und doch in sich ruhend – ein wundervoller Spagat, den „Eleanor“ schließlich in Richtung Pop entführt. Diesen Track hätten die Pet Shop Boys sicher auch gerne geschrieben. Der Tiefgang von „Not Alone“ – schemenhafter Deep House kollidert mit jüngeren RnB-Bewegungen – erschließt Unerwartetes.

Trotz unterschiedlichster musikalischer Ausprägungen fügt sich diese Platte gar hervorragend zusammen. Die Idee, verschiedenste Epochen, Genres und Konzepte zu vereinen, sorgt tatsächlich für frischen, zeitlosen Wind. „Freakout/Release“ zeigt überaus experimentierfreudige Hot Chip, die sich vornehmlich um Pop-Appeal bemühen und den Drang zum (Indie-)Club etwas in den Hintergrund rücken. Das Konzept geht allerdings auf, und so hat das achte Studioalbum der Briten für alle etwas zu bieten. Und, ja, das erhoffte Eskapismusgefühl stellt sich sofort ein – ein begeisternder Schritt in eine spannende Richtung.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 19.08.2022
Erhältlich über: Domino Records (GoodToGo)

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