Writhe – Awaiting A Tide

Writhe
(c) Jonathan Keren-Klaris

Das menschliche Be- und Empfinden als Noise-Rock-Platte, darauf muss man erst einmal kommen. Writhe versuchen genau das mit ihrem Debüt. Erst 2018 in Kopenhagen gegründet, veröffentlichte das Quartett 2020 eine selbstbetitelte EP und arbeitete seither intensiv an seinem Full-Length-Einstand, der live eingespielt wurde, um bei aller Akribie dennoch die spontane, zuweilen drastische Gefährlichkeit des eigenen Sounds einzufangen. „Awaiting A Tide“ stellt sich der Katharsis der Emotionen und Erwartungen mit offenen Armen entgegen und erwartet den Untergang sehenden Auges.

Was diesen Erstling so spannend macht, ist der etwas unorthodoxe Noise-Rock-Ansatz. Es geht nicht alleine um Kratzbürstigkeit, das zeigt bereits die Video-Auskopplung „Beacon“ an zweiter Stelle. Ein gewisses hymnisches Momentum mit Punk-Unterbau kracht durchs Gebälk und brennt sich binnen Sekunden ein. Unbequemes Quengeln trifft auf fordernden 90s-Alternative-Sound, wiederholte Druckwellen torpedieren das Geschehen gekonnt. Gelegentlich schlagen die Punk-Ideen sogar in Hardcore um, erhöhen die Schlagzahl, verschränken die Arme und bemühen konsequente wie kurzweilige Verweigerung in bekömmlichen Dosen.

Das flotte, launische „Sleep In Fire“ zeigt recht deutlich, wo der vermeintliche Hammer hängt, erhöht die Schlagzahl zunächst und bemüht am Höhepunkt ein melancholisches Breakdown, von dem sich Writhe nicht so recht erholen können, geschweige denn wollen. Krasser wird es nur in „Lights Out“, dem überlangen Finale, das sämtliche Songwriting-Chops der Dänen auf den Punkt bringt. Große Dramaturgie mit Kellermensch-Einschlag trifft auf ominöse Bedrohlichkeit, der nächste Absturz gefühlt stets nur einen Wimpernschlag entfernt. Mehrmals droht der Song unter dem eigenen Gewicht zusammenzubrechen.

Da ist sie wieder, die Katharsis, angenommen und zugleich betont abgelehnt. Widersprüche machen „Awaiting A Tide“ groß, das lässt sich nicht von der Hand weisen. Writhe sind zwar hörbar im Noise Rock verankert, rattern diesen aber trotz hörbarer 90s-Einflüsse aber nicht nach Schema F runter. Dicke Alternative-Vibes, ruppiger Punk und beißende Hardcore-Ausflüge treffen auf große emotionale Bandbreite von überschäumender Euphorie bis hin zu betrüblicher Melancholie. Und das in unter einer halben Stunde. Writhe bestätigen ihre gute Frühform mit einem höchst bekömmlichem Album.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 28.01.2022
Erhältlich über: Pouring Dawn

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