Mt. Joy – Orange Blood

Mt. Joy
(c) Matt Everitt

Zahlreiche kleine Radiohits und sogar ein erster Chart-Einstieg in den USA mit „Rearrange Us“: Mt. Joy schwimmen auf einer kleinen Welle des Erfolgs. Nach ihren erfolgreichen ersten beiden Alben zog sich das Songwriter-Duo Matt Quinn und Sam Cooper allerdings in die Wüste zurück. Die erhoffte Tour wurde vom Weltgeschehen gestoppt und nach dem Breakup-Flair des letzten Werks suchte man nach neuen Wegen. Die Farbe Orange wurde zum steten Begleiter, zum Symbol des Wunsches nach einer deutlich positiveren Platte, die selbst mitten im Verfall die Schönheit des eigenen Umfeld erkennen wollte. „Orange Blood“ setzt den Reigen an unverschämt guten Alben gekonnt fort.

„Lemon Tree“, die gekonnt zur Albummitte platzierte erste Single, arbeitet sich an Verbindungen mit Menschen, mit denen man lange nicht gesprochen hatte, ab. Diese beinahe spirituelle Erfahrung trifft auf folkige Fingerfertigkeit, bevor die letzte Minute etwas abhebt und den vertrauten Mix aus Indie, Alternative und Psychedelic einbringt – laut, vorwitzig und doch so behaglich. Auch „Ruins“ geht spät durch die Decke, mutet mit seinem zöglichen, dann fordernden Aufbau wie eine Power-Ballade an und spielt sich im großen Finale in eine Art Rausch. MOR-Esprit mit angedeutetem Americana kommt gut.

Überhaupt glänzt „Orange Blood“ abermals durch Vielfältigkeit, und der eröffnende Titelsong ist da keine Ausnahme. Es dauert eine ganze Weile, bis Mt. Joy in den Track finden. Abermals wird es etwas lauter, je länger die Nummer geht, bloß ist das Grundthema wesentlich lässiger, spielt mit Easy-Listening-Charme und fließt doch wunderbar. „Roly Poly“ entpuppt sich als nahezu lupenreiner Folk-Track mit poppigen Untertönen, und geht sofort ins Ohr. Das gilt auch für den folgenden „Johnson Song“, der ein wenig größer, voluminöser, verwegener denkt. Von den dicken Drums über den launigen Basslauf bis hin zum entstellten Gitarrensolo stimmt hier alles.

34 Minuten lang befindet sich alles im Fluss, tanken sich Mt. Joy durch emotionale Untiefen und verfeinern ihren Sound weiter, ohne diesen neu zu erfinden. Ja, „Orange Blood“ ist eine logische Weiterentwicklung und tritt doch ganz anders auf, ruht in sich selbst, überrascht mit seinen Zen-Qualitäten. Nebenher schüttelt das Quartett abermals kleine und große Ohrwürmer am laufenden Band aus dem Ärmel. Mt. Joy schreiben Hits, die eigentlich keine sind, die mit ihrer charmanten Leichtigkeit selbst schwere Zeiten so wunderbar, so leuchtend erscheinen lassen. Ein weiterer kleiner Überflieger mit hohem Komfort-Food-Anteil.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 17.06.2022
Erhältlich über: Island Records (Universal Music)

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