TV Priest – My Other People

TV Priest
(c) Hollie Fernando

Eine Urgewalt aus London erschütterte Anfang vergangenen Jahres die Szene. TV Priest jagten ihren Erstling „Uppers“ durch den Wahnsinn des Seins und rannten damit offene Türen ein. Die ruppige, rüpelhafte Seite des Post Punk brannte sich mit Wut und Aggression ein. Davon wollte das Quartett allerdings weg. Gerade für Sänger Charlie Drinkwater ging es darum, über andere Themen zu diskutieren, persönliche und intime Dinge aufs Tableau zu bringen, dabei aber auch die politische und gesellschaftliche Lage in ihrer Heimat keinesfalls außer Acht zu lassen. „My Other People“ geht frische Wege mit Nachdruck.

Was der Vorgänger im emotionalen Finale „Saintless“ andeutete, rückt nun in den Mittelpunkt. So wie in „Bury Me In My Shoes“, das sich um ein Klammern an die schönen Dinge des Lebens bemüht. Drinkwater wird zum beschwörenden Hohepriester, rundherum baut sich ein wunderbar kantiges, im Hauptteil noisiges Arrangement auf, das mit fortlaufender Spieldauer gekonnt eskaliert. Dass danach mit „Limehouse Cut“ eine ungewöhnliche, an Self Defensive Family erinnernde Performance folgt, passt ins Bild. Komplette Reduktion und beiläufig gemurmelte Zeilen verwirren im besten Sinne, und doch macht der Track gerade im Albumkontext Sinn.

Besagtes Album ist einmal mehr ein Sammelsurium kleiner Genre-Hits. Die schroffe Kratzbürstigkeit von „Unravelling“ muss sich erst warmlaufen, kotzt sich dafür in aller Gemächlichkeit aus und führt in das nervöse, nahezu tanzbare „It Was A Gift“. Hier zittern und zaudern TV Priest, spucken pointierte Parolen aus und gehen unter die Haut. Das funktioniert auch im vergleichsweise sortierten „It Was Beautiful“ prima – meditativ und pulsierend zugleich, ein charmanter Unruheherd mit angedeuteter Hook. Das Finale fällt einmal mehr aus dem Rahmen: „Sunland“ bewegt sich eher in Richtung Indie Pop/Rock und klingt doch durch und durch nach den Londonern.

Bloß keine Verschnaufpause einlegen: TV Priest gehen ihren Weg souverän weiter und bemühen sich um frische (musikalische sowie thematische) Impulse, ohne dabei den eigentlichen Sound, das eigentliche Konzept gänzlich ad acta zu legen. Das erinnert im besten Sinne an die Entwicklung von Idles, die in einem ähnlichen klanglichen Bereich um steten (persönlichen) Wachstum bemüht sind. „My Other People“ klingt trotzdem herrlich ungeschliffen und direkt, trifft mit Karacho mitten in die Seele und macht es sich dort herrlich ungemütlich. Die Londoner deuten auf ihrem Zweitling Großes an und machen einen beachtlichen Sprung nach vorne.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 17.06.2022
Erhältlich über: Sub Pop Records (Cargo Records)

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