Sam Himself – Never Let Me Go

Sam Himself
(c) Stefan Tschumi

Er kommt zwar aus der Schweiz, seine musikalische DNA ist nach eigenen Angaben aber betont amerikanisch: Sam Himself zeigte sich auf seinem Einstand „Power Ballads“ von seiner düsteren Seite, wohl auch einer besonderen Zeit geschuldet. Nun folgt der Ausbruch aus der Tristesse mit einer musikalischen Frischzellenkur. Von einem Spannungsverhältnis zwischen Hoffnung und dem steten Bewusstsein ihrer Zerbrechlichkeit ist die Rede, wenn „Never Let Me Go“ den Indie-Sound eine Spur kunstvoller und synthetischer erklingen lässt, ohne dabei auf den zuvor rockigeren Charme komplett zu verzichten.

Zu Beginn der zweiten Hälfte nennt er sich „Mr. Rocknroll“, erinnert aber eher an synthetische The Killers. Tatsächlich hat das Stil und unterhält, was neben dem kurzweiligen Arrangement vornehmlich an Himselfs guter Stimme liegt – etwas rauchig, etwas abgehangen, in den richtigen Momenten lebhaft. Gerade im Refrain, der recht unscheinbar und doch so herrlich eindringlich rüberkommt, ist viel Liebe angesagt. Das gilt auch für „Heartland“ – mehr Uptempo, mehr Indie Pop/Rock, in seinem gepfiffenem Part erneut stark gen USA blickend. Der Protagonist nannte seinen Sound einst „Fondue-Western“ – mit einem gewissen Augenzwinkern – und traf den Nagel damit auf den Kopf.

Tatsächlich ist es aber das eröffnende Trio, das ein ohnehin bereits kurzweiliges Album richtig gut werden lässt. „Strangelove“ ist eine wahre Tour de Force, so treibend wie einfühlsam. Der ab und an fanfarenartige Track fließt und marschiert, lebt aber vor allem von seinem fantastischen Gesang. Danach packt „Baby’s Eyes“ die Gitarre aus und drängt den Indie-Sound schon mal in die Garage der ersten Strokes-Platte – sehr lässig, sehr abgehangen, aber zugleich mit dem passenden Pop-Anstrich versehen. Schließlich legt „Golden Days“ Balsam auf die vom erschütternden Verhalten einer Arcade Fire-Figur geschundenen Seelen. Auch hier weben Himself und Team dichte Texturen ineinander für einen warmherzigen wie understateten Chorus allererster Güteklasse.

Was die Songs auf „Never Let Me Go“ so groß macht, ist ihr zunächst unspektakuläres Auftreten, gepaart mit packendem Grower-Potenzial. So ziemlich jeder Track auf diesem Zweitling versteht es, ein wenig zu wachsen, mit jedem Durchlauf neue Feinheiten zu entfalten, kleine Widerhäkchen zu setzen, im Ohr zu bleiben. Sam Himself bemüht einen musikalischen Wandel im Kleinen, der ihm und seinem Sound exzellent bekommt – kurzweiliger Pop/Rock mit Indie- und Art-Charakter, der Radio wie Feuilleton gleichermaßen bedienen kann. Chapeau für diese kleine Schönheit.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 27.01.2023
Erhältlich über: Taxi Gauche Records (Sony Music)

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