Desire Marea – On The Romance Of Being
Eine der interessanten Stimmen Südafrikas meldet sich zurück. Desire Marea sucht auf seinem zweiten Werk nach einer Art Konversation zwischen dem Spirituellen und dem Erotischen. Dafür werden komplexe Klänge zwischen Electronica und Jazz gereicht, von einer Live-Band mit diversen ausgezeichneten Jazz-Musikern eingespielt. Auch den Geist der Ahnen nimmt der kürzlich zum Sangoma, einem spirituellen Nguni-Heiler, ausgebildete Künstler mit, bringt die Welt der Tradition mit modernen Sounds zusammen. „On The Romance Of Being“ entwickelt sich schnell zur wahren Tour de Force.
„Be Free“ zählt zu den wichtigsten Songs der Platte und erzählt eine queere Liebesgeschichte in einer homophoben, hyper-maskulinen Welt. Die Art und Weise, wie der zunächst zögerliche Track Fahrt aufnimmt und soulige bis traditionelle Gesänge und Chants in Richtung Noise umdeutet, hypnotisiert. Elektronisches Brodeln und jazzige Improvisation tauchen die zweite Hälfte in eine komplett andere Klangwelt. Das gemeinsam mit Zoë Modiga eingespielte „Rah“ löst sich von letzten irdischen Fesseln und nimmt durchaus Züge komplexer Improvisationen an – bei einer Spielzeit von knapp neun Minuten kein Wunder. Marea kann sich nicht so recht für eine Richtung entscheiden, spielt mit Sounds und Erwartungen. Die Reise fasziniert.
„Banzi“ ist sogar noch eine Spur länger. Der treibende Bass, die lockere Percussion, der losgelöste Gesang – bereits das ellenlange erste Abtasten sorgt für hohe Spannung. Nach und nach setzt der Rest der Band ein, ein donnerndes Grollen erhebt sich, die Blechbläser suchen nach freiem Raum. Und dann lösen sich plötzlich letzte Fesseln für wilden, ausufernden Jazz, der schon mal an das kreative Chaos von black midi erinnert. Nicht zum letzten Mal mischen Screams und Kehlkopfgesang mit, während sämtliche Musiker komplett am Rad drehen. Im Vergleich dazu wirkt das ebenso sägende, stellenweise aus dem Kehlkopf entsprungene „Mfula“ fast schon brav. Technoide Synthies deuten eine weite Öffnung an, das Club-Crescendo bleibt aus.
Darf man hier von einer transzendentalen Erfahrung sprechen? Einmal mehr bricht Desire Marea gekonnt mit Hörerwartungen und landet damit einen absoluten Volltreffer. Insgesamt zeigt sich „On The Romance Of Being“ eine Spur jazziger als der Vorgänger, ohne die Elektronik komplett ad acta zu legen. Mit traditionellen Einflüssen gepaart, entsteht ein spannender Zweitling, der sich volle Aufmerksamkeit, aber auch jegliche Geduld verdient hat. Denn es dauert eine ordentliche Weile, bis sich die sprichwörtliche Summe der einzelnen Teile zusammenfügt. Für diesen packenden, sich immer wieder aufs Neue (unerwartet) häutenden Exkurs lohnt sich das doppelt und dreifach.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 07.04.2023
Erhältlich über: Mute (Rough Trade)
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