Ryan Bingham – Watch Out For The Wolf

Ryan Bingham
(c) Gus Black

In seiner US-Heimat ist Ryan Bingham seit Jahren ein Fixstern im Country- und Americana-Sektor, veröffentlichte mehrere Top-50-Alben, wurde mit einem Oscar und einem Grammy ausgezeichnet, und hält sogar sein eigenes Festival ab. Als Teil der letzten beiden Staffeln des Neo-Western-Dramas „Yellowstone“ ist er zudem mittlerweile einem internationalen TV-Publikum ein Begriff. Für seinen neuesten musikalischen Streich zog sich Bingham in die gebirgige Wildnis Montanas zurück. Gemeinsam mit seinem Hund, mit Instrumenten, Notizbüchern und Aufnahme-Equipment durchlebte er eine spirituell herausfordernde, einsame Zeit, in der die EP „Watch Out For The Wolf“ entstand.

Unorthodoxe, isolierende Eindrücke umgarnen das eröffnende „Where The Wild Things Are“. Zwischen Beobachtungen der wilden Umgebung und Erfahrungsberichten über das Selbst entsteht eine gemächliche, zugleich treibende Nummer. Die nahezu folkige Americana-Gitarre, die zittrigen Vocals, das ominöse Pfeifen im Refrain – tatsächlich wirkt dieser Song wie auseiner anderen Welt und geht doch nicht mehr aus dem Ohr. Einiges an Effekten begleitet die ersten Momente von „Automated“. Die vorsichtige Verfremdung des Leitmotivs kommt gut und wirkt nach anfänglichem Fremdeln erstaunlich homogen – eine Art Traumwandlerei durch eine verklärte Vergangenheit.

In „Shivers“ spielt Bingham mit einem schleppenden Rhythmus, den man so eher in TripHop-Gefilden erwarten würde, während die semi-akustische Gitarre in vertrauten Gefilden wildert. Country, Americana und Roots treffen spannende Off-Beat-Ideen. Nach einem kurzen instrumentalen Zwischenspiel bewegt sich „Rivers Of Love“ in Richtung Radio, verspielt und fast schon poppig, dennoch der vielleicht traditionellste Song der gesamten EP. In „Devil Stole My Style“ zeigt Bingham, dass ihm der Blues ebenso liegt – schwerfällig, gespentisch, bleiern und hypnotisierend. Schließlich blickt „This Life“ fast schon beschwingt in die Zukunft und überrascht mit Pixies-Charme.

Tatsächlich versucht Ryan Bingham sehr viel in diesen 25 Minuten, und fast alles geht auf. Zwar bleibt er seinen musikalischen Wurzeln weitestgehend treu, doch wurden diese wohl noch nie so frei und vielfältig interpretiert. „Watch Out For The Wolf“ spielt mit unorthodoxen Beats, mit Indie-Einflüssen, mit verschiedenen Country- und Americana-Spielarten, ist poppig und zugleich tief in etablierten Songwriter-Traditionen verhaftet. All das und noch viel mehr passt auf eine kleine EP, ohne auch nur im Ansatz überladen zu wirken – das ist große Kunst und ein weiterer Beleg für die Qualitäten Binghams.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 11.08.2023
Erhältlich über: The Bingham Recording Company / Thirty Tigers (Membran)

Website: www.ryanbingham.com
Facebook: www.facebook.com/RyanBingham