Teenage Wrist – Still Love
Aus einer schwierigen Zeit geboren, schwimmen sich Teenage Wrist mit ihrem neuesten Streich endgültig frei. Wo „Earth Is A Black Hole“ rockiger klingen wollte und sich zugleich vermehrt an Synthetik wagte, zogen sich Anthony Salazar und Marshall Gallagher für den Nachfolger in eine kleine, isolierte Hütte im Joshua-Tree-Nationalpark zurück, mit ordentlich Ausrüstung bewaffnet, und machten Musik. Das Ergebnis zeigt sich deutlich wuchtiger und kantiger, wendet sich aber ebenso – und mehr denn je – poppigen Klängen zu. Zwischen den vermeintlichen Extremen glänzt „Still Love“ mit frischem Wind.
Dieser Widerspruch löst sich in Wohlgefallen auf, wie unter anderem der Titelsong zeigt. Die Mischung aus Rock, Gaze und Grunge ist weiterhin vorhanden, prominent vertreten, drückt schon mal in bester Deftones-Manier, bleibt zugleich hymnisch und eingängig. In einem klaren Moment sorgt der Softcult-Gastgesang für bewegend-reduzierte Momente. Im abschließenden „Paloma a.K.a. Ketamine“ mischt Singer/Songwriter-Reduktion mit, folkig und zugleich angenehm balladesk. Schmucker Komfort-Sound geht ans Herz. „Diorama“ wirkt trippy, punktet mit Downbeat- und Electro-Charme, fällt aus dem Rahmen und doch nicht. Gerade die butterweichen Vocals bleiben hängen.
Falls das zu nett ist, kommt „Dark Sky“ genau richtig. Gemeinsam mit SA Martinez von 311 entsteht ein intensiver und doch angenehm einfacher, geradliniger Track, rockig und forsch, dennoch entspannt. Diesen Widerspruch beherrschen Teenage Wrist mittlerweile prima, und „Wax Poetic“ mit Sister Void bildet da keine Ausnahme. Ja, die Gitarren wirken roh und explosiv, doch anstatt in allerlei metallische Gefilde abzudriften, wird Heavyness von zarten Pop-Momenten umgarnt. Das sollte – rein theoretisch – nicht so gut funktioniert, doch spätestens beim himmlischen Gitarrensolo ist alles eitel. Die bratende und zugleich hoffnungsvolle Düsternis von „Cigarette Two Step“ passt mit ihrem experimentellen Ansatz und gelegentlichem Nu-Metal-Elan prima ins Bild.
Was auf dem Papier keinen Sinn ergeben dürfte, lässt doch nicht mehr los: Teenage Wrist gehen ihren Weg weiter, bloß auf beste Weise anders. Die hinzugekommenen Pop-Ansätze bewegen und faszinieren angenehm, ohne den Sound dabei komplett umzukrempeln. „Still Love“ steht für frischen Wind im bewährten Dunstkreis. Das sollte eigentlich nicht funktionieren, geht aber auf, denn zugleich bleibt der rohe wie luftige Klang erhalten. Rockiger bis metallischer Druck und Dreck gehen an die Schmerzgrenze, lassen Raum für eingängige Momente, gehen ans Herz und an die Substanz. Liebe mal anders: Teenage Wrist denken um und landen damit den nächsten Volltreffer.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 04.08.2023
Erhältlich über: Epitaph Records (Indigo)
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