Oversize – Vital Signs

Zwei EPs und umjubelte Gigs brachten Oversize binnen kürzester Zeit ins Visier diverser Tastemaker auf der Insel. Das britische Quintett versteht sich auf einen bewusst 90s-lastigen Sound, der rund um Shoegaze unter anderem Emo, Alternative Rock, Metal und etwas Post-Hardcore reiht, als würden Hum und Deftones gemeinsame Sache machen. Und doch zieht die Band ihr eigenes Ding durch, arbeitet mit Klangräumen und ausufernder, dynamischer Arrangierung. Ihr erstes Album „Vital Signs“ löst frühe Versprechung erstaunlich souverän und unfassbar mitreißend ein – and then some.
Ist „Fall Apart“ als Motto für diese Platte zu verstehen? Vom bizarren, rückwärts abgespielten Intro abgesehen, entwickelt sich der Song zum Siegeszug. Wütende Härte wird hinter fluffigen Texturen versteckt, der weiche Gesang passt prima ins Bild. Mit dem Weichzeichner fällt die Brechstange nahezu kuschelig aus, während Oversize das eine oder andere Riff draufpacken. Im Vergleich dazu geht „Salt“ direkt in die Vollen und langt wieder, immer wieder richtig schön beherzt zu. Die Strophen verstecken sich in der Echokammer, der Refrain mag es laut und kantig – gewiss keine neue, übermäßig spannende Form der Dynamik, jedoch richtig gut gemacht.
Das trifft auch für das gesamte Album zu, das bei aller Vertrautheit doch so viele Highlights zu bieten hat. Wie das bewusst zurückgenommene, zurückgelehnte „Daretomove“, dessen Weisheit betont gemächlich anrollt und mit urplötzlichen Druckwellen erfasst. Oder „Are You With Me?“, bestenfalls eine rhetorisch gemeinte Frage, denn der Track packt sofort zu und erfordert selbst in relativ zurückgelehnter Präsentation vollste Aufmerksamkeit. Und dann ist da noch „Vital Signs“, der finale Titelsong im Langformat, der in fünf Minuten alle Vorzüge auf einen gemeinsamen Nenner bringt. Brachiale, brutale Härte, knisternde Melodik und Mitt-90er-Feingefühl finden zusammen.
Oversize bringen auf ihrem ersten Album erstaunliches Selbstbewusstsein mit und kultivieren einen Sound, der so mächtig wie emotional ums Eck kommt, der hinter der durchgehenden Shoegaze-Ästhetik gar faszinierende Details offenbart. Gerade die teils derbe Härte, die laufend versucht, an die Oberfläche zu dringen, erwischt gerne mal am falschen Fuß und macht es sich dort erst einmal so richtig gemütlich. „Vital Signs“ ist aber auch ein Werk filigraner Melodien und dichter Harmonien, gelebter Emotionalität und roher Wut – alles bevorzugt im Widerspruch stehend und doch immer so angenehm logisch vorgetragen. Die fünf Briten geben dem Hype seine Daseinsberechtigung und legen einen packenden Erstling vor, dessen wahre Schönheit erst bei genauem Hinsehen deutlich wird.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 28.02.2025
Erhältlich über: SharpTone Records (Warner Music)
Facebook: www.facebook.com/oversizeband
