Vraell – Once A Blue Hour

Musik aus Begleiter durch die Wirren des eigenen Lebens, so lässt sich das erste komplette Album von Vraell in etwa umschreiben. Der Brite mit sizilianischen Wurzeln verbindet zurückgenommenes Gitarrenspiel mit Beats und Ambientklängen, veröffentlichte bereits diverse Songs und EPs, teils mit mehr als stattlichen Streamzingzahlen. Das neue Material schrieb er überwiegend in der besonderen Stimmung der Frühlings- und Sommerdämmerung, rang dabei mit der eigenen inneren Zerrissenheit und seinem sizilianischen Erbe. Auf dem Weg zu Selbsterkenntnis widmet sich „Once A Blue Hour“ Experimenten, Sinnsuche und kleinen Klanggemälden.
Einer dieser besonderen, dieser magischen Songs ist „Rib:Cage“, das sich über feines Gitarrenspiel in einen meditativen und doch so eindringlichen Track hangelt. Vraells angenehm helle Stimme arbeitet sich nach vorne, nach etwa einer Minute setzen die Beats ein und verbinden Herzenswärme mit unterkühlter Schwere. In diesem Spannungsfeld blüht der Vierminüter mehr und mehr auf. Hingegen geht „Watercolour Blush“ direkt in die Vollen, lässt ein paar Effekte los, macht beinahe so etwas wie Druck, selbstverständlich mit dem vertrauten Understatement verbunden. Eine Schicht nach der anderen kommt hinzu, bis die Eindringlichkeit zu überfordern droht.
Überforderung gibt es jedoch nie, bloß grazile Anmut. Exakt das setzt es in „Quattro“, eine lange instrumentale Schleife zur Albummitte, die mehr und mehr Fahrt aufnimmt, bevor das helle Funkeln in sich zusammensackt. Von Lautmalerei gibt es in „Bare“ letztlich wenig zu hören, was keinesfalls stört. Die etatmäßige, konzentriert eingesetzte Reduktion greift mehr und mehr um sich, die Stimme agiert als zusätzliches Instrument und ragt nur selten aus dem Arrangement hervor. Im Vergleich dazu präsentiert sich „Halfway Crest“ laut und dominant. Hier ein verschachtelter Beat, dort feine Synthesizer-Arbeit, dazu die butterweiche Gesang und ein kraftvoller Vraell – besser geht’s nicht.
Und stark ist dieses Album tatsächlich von Anfang bis zum Ende. Wiewohl man den einen oder anderen Song herausgreifen kann, vielleicht sogar muss, erschließt sich die volle Strahlkraft doch erst in der Gesamtheit. Einzig die Improvisationen auf der Gitarre, die den digitalen Vorboten beigefügt waren, fehlen hier, doch auch so wirkt „Once A Blue Hour“ im besten Sinne wie aus einem Guss. Vraells in jeglicher Hinsicht besonderer Sound erwärmt das Herz, selbst wenn die Identitätskrise grüßt, motorisiert, entspannt und in neue Welten entführt. Mehr als souverän bestätigt der Brite die Klasse seiner ersten Releases und fügt dem musikalischen Frühling ein schillerndes, alles andere als vor sich hin dämmerndes Kapitel hinzu.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 28.03.2025
Erhältlich über: Nettwerk Music
Website: vraell.com
Facebook: www.facebook.com/vraellmusic