The Amazons – 21st Century Fiction

Matt Thomson wird 30 und wundert sich über die Art und Weise, wie sich sein Leben entwickelt hat. Der Frontmann von The Amazons hatte sich finanzielle Absicherung und ein eigenes Haus erträumt, was in schwierigen Zeiten für die Musikindustrie und die Weltwirtschaft eine Illusion blieb – obwohl er mit den ersten drei Alben seiner Band jeweils die Top 10 erreichte. Erstmals nahm man als Trio auf, nachdem Drummer, Gründungsmitglied und ‚großer Bruder‘ Joe Emmett Ende 2022 ausgestiegen war. Anstatt auf etwaige Vorhersehbarkeit zu pochen, entschieden sich die Briten für eine ehrliche und persönliche Platte mit deutlich mehr Rock. Tatsächlich hält „21st Century Fiction“ herzlich wenig von Erwartungen.
Ein Song wie „Pitch Black“ klingt so mächtig und großspurig wie menschenmöglich, wagt sich zu einem überdimensionalen schwarzen Loch vor und kreuzt seine funkelnde Gitarre mit ordentlich Soul – ein gewaltiger, herrlich schwerfälliger Abräumer, der einfach nicht mehr aus dem Ohr gehen will. Derlei verschwitzten Rock hat man vielleicht nicht unbedingt erwartet, doch macht gerade das richtig viel Laune. Ähnliches gilt für „Joe Bought A Gun“, aus dessen ruhigem Auftakt sich ein rauer und dreckiger Abräumer mit Grunge-Qualitäten entwickelt. Schiere Heavyness und ein angenehm abgefuckter Refrain gewähren dem Trio ordentlich Freiraum.
„Living A Lie“ überrascht hingegen mit beatesken Industrial-Anleihen, die im Schlussakt sogar kurz auf die Tanzfläche ziehen. So funky ist „Wake Me Up“ keinesfalls, holt dafür eine kräftige Dosis Blues dazu und erinnert sogar ein wenig an The Black Keys. Die Briten spielen sich in einen wahren Rausch, der Song ufert weiter und weiter aus, bis zum gewaltigen Crescendo. Da darf natürlich eine Power-Ballade nicht fehlen, und die kommt in Form von „Go All The Way“. Der überlange Schlussakt hat natürlich eine ausgeprägte Portion Schmalz dabei, aber eben auch richtig feines Songwriting. Exakt das deutet „Love Is A Dog From Hell“ in einen bluesigen Rock’n’Roller um und hat Spaß an der irren Präsentation.
Diese ‚Fuck it‘-Platte von The Amazons macht richtig viel Laune. Obwohl hier keinesfalls alles über den sprichwörtlichen Haufen geworfen wird, langt das Trio mit wachsender Begeisterung zu und tobt sich aus. Die kreative, deutlich lautere und vielschichtige Spielwiese bekommt ihnen gut und macht den nächsten Schritt zur großen Rockband. „21st Century Fiction“ übertreibt gerne, mag seine wilden Gesten und seine Zügellosigkeit. Dass diese Form musikalischen Exzesses im krassen Gegensatz zur Unsicherheit über das Älterwerden steht, passt wunderbar ist Bild. The Amazons trauen sich etwas, haben Spaß und schreiben nebenbei starke Songs. Mehr braucht es nicht zum vollkommenen Glück.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 09.05.2025
Erhältlich über: The Amazons / Nettwerk (Bertus)
Website: www.theamazons.co.uk
Facebook: www.facebook.com/theamazonsforever