Katie Melua – The House

Spätestens mit ihrem letzten Longplayer „Pictures“ hatte sich Katie Melua musikalisch festgefahren. Was anfangs noch verzauberte, begann nun allmählich zu langweilen. Kurzum, für das vierte Studioalbum mussten dringend neue Inspirationen her. Kein Geringerer als Ausnahmeproduzent William Orbit nahm die Herausforderung an, den Katie Melua-Sound zu entstauben und weiterzuentwickeln. Ob er tatsächlich Wunder vollbringen konnte, lässt sich ab sofort auf „The House“ feststellen.

Man tastet sich langsam heran: Der Opener „I’d Love To Kill You“ klingt zwar himmlisch leicht, setzt aber noch auf Bewährtes – dezente Instrumentierung, glasklare Stimme. Doch „The Flood“, die erste Single, zeigt endlich die Experimentierfreude, die schlichtweg überfällig war. Ein orchestrales, orientalisch angehauchtes Arrangement und Katies ausdrucksstarker Gesang sorgen für eine fesselnde Dramatik, bevor sie von einem – ja, tatsächlich – deutlich schnelleren Disco-Intermezzo unterbrochen wird. Zugegeben, der Stilwechsel wirkt zunächst recht gewöhnungsbedürftig, bis man begreift, wie unglaublich raffiniert diese Komposition ist. Gelungen sind auch „A Happy Place“, munterer Pop mit märchenhaften Chören, sowie das eingängige „Tiny Alien“ mit seinen folkigen Einflüssen. Alle bislang erwähnten Titel schrieb Katie übrigens gemeinsam mit Robbie Williams‘ ehemaligem Hitlieferanten Guy Chambers.

Auch Songwriter Rick Nowels (u. a. Dido, Madonna, Melanie C) war an zwei Nummern beteiligt: „Plague Of Love“ geht als beschwingter, Retro-orientierter Midtempo-Pop ins Ohr, während „Twisted“ gerne mit Kate Bush verglichen wird. Das rockige „God On The Drums, Devil On The Bass“, der einzigen Zusammenarbeit mit Katies Entdecker und Mentor Mike Batt, ist hingegen eine Spur zu kantig und eigenwillig für die Interpretin. Einen Versuch war es wert. Zu guter Letzt werden selbstverständlich auch die zahlreichen Freunde von Katies bluesigen Balladen mit frischem Material versorgt. Stücke wie „Red Balloons“, „No Fear Of Heights“ oder der berührende Titeltrack „The House“ sind dieses Mal allerdings nicht in der erschlagenden Überzahl und können dadurch auch wieder ihren intimen Zauber entfalten.

Somit gelang Katie Melua und ihren hochkarätigen Helferlein auf „The House“ tatsächlich der Spagat zwischen Alt und Neu. Die musikalische Weiterentwicklung ist dank William Orbit deutlich zu spüren, ohne dass sie die Anhänger der ruhigen Balladen vergraulen könnte. Denn trotz der subtil eingesetzten elektronischen Elemente klingen die neuen Songs noch immer authentisch, Katies Stimme wird nie in der Hintergrund gedrängt. „The House“ mag vielleicht ein Stück näher am Mainstream sein als seine drei Vorgänger, mit einem reinen Hit-Album hat man es erfreulicherweise dennoch nicht zu tun. Von daher: alles richtig gemacht.

VÖ: 21.05.2010
Dramatico (rough trade)
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