Opeth – Heritage

Opeth

Einfach haben es Opeth ihren Fans noch nie gemacht. Stets haben sich die Mannen um Mikael Åkerfeldt – Mastermind und einzig verbliebenes Gründungsmitglied – musikalisch verändert, ohne ihren progressiven Charme zu verlieren. Death Metal ist längst passé, auch Folk-Elemente sucht man auf dem mittlerweile zehnten Studioalbum über weite Strecken vergeblich. „Heritage“ bietet psychedelischen, authentischen 70s Prog Rock mit deutlichen Referenzen zu King Crimson, Cream und sogar Led Zeppelin. Zum erst zweiten Mal in der Bandgeschichte wurde auch auf Growls verzichtet.

Eingerahmt von süßlichen, rein akustischen Intro- und Outro-Instrumentals („Heritage“ und „Marrow Of The Earth“), entpuppt sich das zehnte Opeth-Album als wahre Wundertüte. Bereits die ‚Single‘ – bei den Schweden ist dieser Begriff sehr lose zu verwenden – „The Devil’s Orchard“ gibt sehr psychedelisch und verkopft, knüpft aber noch am ehesten an die Vorgänger an. Åkerfeldts Gesang schwebt über dem schrägen Song, den Hammond-Klängen, dem dominanten Bass und dem psychedelischen Mittelteil. Nur eine Ecke wartet „I Feel The Dark“, dessen beide Hälften tatsächlich wie Tag und Nacht klingen: ruhiger, schräger Auftakt, gefolgt von einem forschen Abgang mit direktem, beinahe aggressiven Drumming.

Herzstücke sind jedoch andere Songs – beispielsweise das verträumte „Häxprocess“, bei dem ewig lange nichts zu passieren scheint; erst mit Kopfhörern entdeckt man den detailverliebten, verspielten Aufgalopp in seiner vollen Pracht. Gleich darauf wagt „Famine“ die Abfahrt in tiefste Tiefen, überrascht „Slither“ mit Testosteron geladenem Rock und einem Hauch von John Paul Jones-Orgel – die „Houses Of The Holy“-Ära lebt immer noch, während „Nepenthe“ mit einem epischen Solo die Spannung mit einer Heckenschere schneidet, während „The Lines In My Hand“ mit zahlreichen Zäsuren den eigenen Hard Rock-Drive sabotiert. „Folklore“ als nachdenklicher Rausschmeißer mit einem Hauch von Bombast in den Schlussminuten wirkt wie das sprichwörtliche Sahnehäubchen, langsamer Fade-Out inklusive.

Bei Opeth bleibt erneut alles anders: „Heritage“ ist ein extremes Album ohne Extreme-Anteile, knüpft noch am ehesten an „Damnation“ an, bejubelt King Crimson und Pink Floyd, erinnert überaus authentisch an die glorreichen Prog-Meisterwerke der 70er Jahre und wird die Fans einmal mehr vor dem Kopf stoßen. Für Mikael Åkerfeldt geht es um Abwechslung und den Aufbruch gen neue Ufer, womit er wohl einmal mehr die Lager spalten wird. Viel feinsinniger und epischer kann man diesen Legenden wohl kaum huldigen. Anders formuliert: Opeth haben es einmal mehr geschafft.

VÖ: 16.09.2011
Roadrunner Records (Warner Music)

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