In Extremo – Kunstraub

In Extremo

Im Oktober 2012 stahlen zwei Rumänen sieben Kunstwerke aus der Rotterdamer Kunsthalle, darunter Gemälde von Picasso, Matisse und Gauguin. Ein Zufallsdeal – sie wussten augenscheinlich nicht, was sie mitnahmen. Die beiden Männer wurden gefasst, die Gemälde sollen verbrannt worden sein, der Prozess wurde im August diesen Jahres erst einmal vertagt. Zumindest musikalisch hat dieser bizarre Coup nun ein Nachspiel. Dr. Pymonte kam diese Meldung unter die Augen, das Wort „Kunstraub“ wurde zum Titel des elften Albums seiner Band In Extremo.

Wie schon auf den letzten beiden Platten „Sängerkrieg“ und „Sterneneisen“ öffnen sich die Mittelalter-Recken konsequent verschiedenen Rock- und Metal-Einflüssen. Die erste Single „Feuertaufe“ ist noch einer der typischeren In Extremo-Tracks. Schnörkellos und auf den Punkt gebracht, feuert das Septett eine bandtypische Hymne ganz locker aus der Hüfte. Dudelsäcke säumen den rockigen Auftakt, „Whoa“-Rufe machen den Refrain live-tauglich. „Lebemann“ schlägt in eine ähnliche Kerbe, wirkt gerade während seiner wilden Anfangsnoten ungewohnt punkig und bissig. In Extremo geben Gas, mischen dezentes Pop-Appeal und Seemanns-Attitüde darunter, während lauter „Jaaaaaaaa“-Rufe das Tempo vorgeben.

Die Bandbreite wird auf „Kunstraub“ zum größten Trumpf der Veteranen. „Der die Sonne schlafen schickt“ eröffnet mit etatmäßigen Dudelsäcken und Pfeifenklängen, gibt sich dezent folkig in den Strophen und fährt im Chorus schwere Gitarren auf. Sogar für einen verhinderten Moshpart findet man Zeit. „Doof“ zählt zu den härtesten Tracks des Albums, paart Rammstein-Riffs mit bissigen Lyrics und ungewohnt verträumten Pfeifen – härter geht es kaum. Der Titeltrack „Kunstraub“ hält mit seinen angethrasten Doublebass-Attacken halbwegs mit. Auf dem anderen Ende der Skala wird es geradezu sanft. „Alles schon gesehen“ entpuppt sich als große Midtempo-Hymne mit sanftem Piano-Auftakt – eine potentielle Single. Das traurige, schleppende „Gaukler“ punktet hingegen mit Rührseligkeit und einem weiteren epischen Refrain.

Im Ton vergreifen sich In Extremo einzig in „Belladonna“. Irgendwo zwischen Punk und NDH-Riffing wirkt der Hexentext unpassend, beinahe affig – ein eigenartiger Fremdkörper im verhältnismäßig weltlichen Repertoire der sieben Recken. Ausblenden und weitermachen: Wo „Sterneneisen“ angesichts seiner vergleichsweise neuen, schwer greifbaren Ausrichtung eine kleine Herausforderung darstellte, gelingt „Kunstraub“ eine Punktlandung. In Extremo akzentuieren mit mittelalterlichen Instrumenten ihr wuchtiges Gesamtauftreten, wirken breit aufgestellt und mischen eingängige Hymnen mit knüppelharten Metal-Ausflügen und einer gewissen, sympathischen Rührseligkeit. Als Fan kommt man an dieser Platte sowieso nicht vorbei.

In Extremo - Kunstraub

Kunstraub
VÖ: 27.09.2013
Vertigo Berlin (Universal Music)

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