All diese Gewalt – Welt in Klammern
Wenn Max Rieger nicht gerade mit Die Nerven Krawall und Noise mit Pop-Ideen kreuzt, widmet er sich experimentellen Solo-Platten. Als All diese Gewalt vermengt er Post Rock, Elektronik, Avantgarde und unterschwellige Pop-Melodien mit durchaus literarischem Anspruch. Zwischen Drone und Easy-Listening spielt „Welt in Klammern“ mit Erwartungen, Hörgewohnheiten und Songwriting-Ansätzen.
Gute Nerven, um dieses Wortspiel anzubringen, sind im Falle dieser Platte kostbares Gut. Einige Songs rollen nur sehr langsam an, benötigen Zeit und Konzentration, ja sogar mehrere Durchläufe, bevor sie ihre volle Strahlkraft entfalten. „Wie es geht“, der Opener, ist das beste Beispiel dafür. Beiläufige Gitarren- und Synthi-Klänge, rhythmischer Minimalismus und Riegers beschwörender, eindringlicher Gesang gestalten sechs sperrige wie hörenswerte Minuten aus. Zögerlich breitet das Arrangement seine Fänge aus, wird zum Schluss hin durchaus laut und noisig – ein Anknüpfungspunkt an Riegers Hauptband.
Diesen faszinierenden Klanglandschaften stehen experimentelle Kuriositäten gegenüber, wie das ziellose „Geister“, die überlange Synthi-Sammlung „(Ohne Titel)“ oder das ein wenig an Amiga-Musik erinnernde „Kuppel“. Derlei Ausflüge in den kalkulierten Wahnsinn des Understatements gehören zwar zu All diese Gewalt, unterhalten aber nur bedingt. Zwischen dem herrlich kauzigen und doch luftigen „Morgen alles neu“, dem komplexen Acht-Minuten-Loop-Monster „Stimmen“ und dem konstant anschwellenden „Jeder Traum eine Falle“ bleibt aber genug Platz für spannendes Songwriting.
Keine Frage, „Welt in Klammern“ ist Geschmackssache, was das Album aber keinesfalls schlecht macht. Lange Anlaufzeit, präzise Ausführungen, Überraschungen im Kleinen und Großen – da muss man sich erst einmal reinarbeiten. Wie bei Riegers Hauptband auch, lohnt sich der geduldige Aufwand, den All diese Gewalt mit sich bringt. Zwischen kuriosen Experimenten und blubbernden Banalitäten verstecken sich großartige, stellenweise gar poppige Post-Punk-Weisheiten mit Suchtfaktor.
Welt in Klammern
VÖ: 23.09.2016
Staatsakt (Universal Music)
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