Wolf People – Ruins

Wolf People

Ist Retro eigentlich immer noch ein Schimpfwort oder nur noch Begleiter durch den Alltag? Und: Wie retro kann Retro eigentlich sein? Wolf People beziehen sich seit jeher auf die folkloristischen Wurzeln ihrer Urahnen und lassen mit ihrem an psychedelischem 60s und 70s Rock angelehnten Sound seit jeher Jethro Tull und Konsorten hochleben. Auf „Ruins“ stellen sie nun Überlegungen an, wie eine Welt ohne Menschen aussehen würde, und liefern zugleich den sympathischen musikalischen Biedermeier in bewegten Zeiten für ihre britische Heimat.

Herzstück der Platte ist ohne Frage „Kingfisher“, dieses siebenminütige Wunderwerk der Leisetreterei mit unheimlich viel Gefühl und seltenen, intensiven Gitarreneinsätzen. Zu butterweichen Klängen trägt Jack Sharp seine Verse vor, getragen von sympathischer Beschaulichkeit und unheimlich viel Power. Gegen Ende packen Wolf People sogar ein wenig Psych und Hard Rock aus, bevor sie zurück zum nachdenklichen Leitmotiv finden; ein Leitmotiv, das im Laufe des weiteren Albums in gleich zwei Reprisen aufgegriffen wird.

Gelegentliche Proto-Metal-Riffs rütteln förmlich wach und tragen beispielsweise das wuchtige „Night Witch“ mit Elan und Biss nach vorne. Dass es in den Strophen dennoch ruhig, beinahe folkig bleibt, passt ins Bild. Ein „Salts Mill“ verdichtet hingegen die bisherigen Psychfolk-Ansätze zu einem weiteren Westentaschen-Epos, dessen zittrige erste Hälfte die Schönheit der weiten Natur lebt und atmet, bevor sich das Quartett zum Schluss hin in einem kleinen Jam verliert. „Ninth Night“ vereint beide Welten, wirkt schrill und wuchtig, zugleich aber locker. In „Crumbling Dais“ hat hingegen die alte Jethro-Tull-Flöte einen von vielen Kurzauftritten.

„Ruins“ als Brexit-Eskapismus zu sehen, wäre vielleicht eine Spur zu zynisch, zumal sich diese kleine Perle keinerlei Zynismus verdient hat. Wolf People widmen ihre Kunst der Natur und Folklore, wagen sich auf ausgedehnte Spaziergänge durch mystische Wälder und wälzen alte Stadtchroniken. Ihr psychedelischer Folk Rock gestaltet sich herrlich abgehangen, intensiv und mitreißend, nimmt den erwarteten Retro-Charme – da ist dieses (ehemalige?) Unwort wieder – mit. „Ruins“ ist ohne Frage das bisherige Prunkstück der Briten und beweist gleichzeitig, dass die alte Flöte durchaus ein kleines Rock-Revival verdient hätte.

Wolf People - Ruins

Ruins
VÖ: 11.11.2016
Jagjaguwar (Cargo Records)

Wolf People @ Home | @ Facebook
„Ruins“ @ Amazon kaufen