Katie Gately – Loom

Katie Gately hatte den Nachfolger zu „Color“ bereits fast fertiggestellt, als ihre Mutter mit einer besonders seltenen Form von Krebs diagnostiziert wurde, kurz nachdem sie ihre Tochter das erste Mal auf der Bühne sehen konnte. Sie sollte diesem Leiden letztlich erliegen. Die Produzentin und Sound-Designerin kehrte sofort nach der Diagnose in das Haus ihrer Familie zurück und schrieb eine komplett neue Platte, rund um den Favoriten ihrer Mutter aufgebaut. „Loom“ war bereits Anfang 2019 fertig, nun ist für Gately genug Zeit vergangen, um die Musik mit dem Rest der Welt zu teilen.
Besagter Lieblingssong ihrer verstorbenen Mutter war „Bracer“, mit über zehn Minuten Spielzeit das Herzstück der Platte. Das Ergebnis schlafloser Nächte entwickelt sich zur Tour de Force, von der experimentell veranlagten Elektronik-Produzentin in Textfragmente und Soundbites, welche sich mit Angstzuständen befassen, gekleidet. Hier scheinen gleich mehrere Tracks und Ideen zusammengefunden zu haben, ergeben eine Art mehrteilige Suite mit avantgardistischem Klassik-Appeal, bevor die letzten beiden Minuten in lautes Fast-Chaos versinken. Gatelys Stimme bleibt der rettende Anker, während die Regler rundherum auf Anschlag gedreht werden.
Rund um den instrumentalen Triptychon „Ritual“, „Rite“ und „Rest“, eine Art verbindender roter Faden, mehrfach rund um die Platte gewickelt, ergeben sich spannende Klangphänomene. In „Waltz“ kollidieren fragile Ideen, die durchaus an Chamber-Pop erinnern, mit schroffen Walzerrhythmen und schriller Distortion, wie es sonst wohl nur Björk kann. Eine Art fatalistischer Tanz der Trauer wühlt gewaltig auf und bereitet weiteren Perlen, wie „Flow“, eine entsprechende Bühne. Diese Meditation über eine erhabene und doch kratzige Melodie, welche immer lauter und einnehmender wird, packt sofort zu. Gatelys Stimme erfährt zudem eine gewisse Entfremdung, strandet schließlich in der Echokammer und beobachtet, wie der Track in sich zusammensackt.
Gately bleibt ihrem Faible für das musikalisch Abstrakte treu, vielleicht sogar noch ausladender und schroffer gestaltet. So manches Arrangement wirkt laut, sperrig und gefühlskalt, doch in Verbindung mit Gesang und Lyrics entstehen überraschend fragile, bewegende Gebilde der aufwühlenden Art. „Loom“ hat einen langen Reifungsprozess hinter sich und lässt die Tragödie, lässt Schmerz und Verwundbarkeit zu. Katie Gately legt ihre musikalische und persönliche Essenz mit einem beeindruckenden Album offen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 14.02.2020
Erhältlich über: Houndstooth (Rough Trade)
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