Corinne Bailey Rae – Black Rainbows
Mehr als sieben Jahre zwischen zwei Alben, das ist eine ganz schön lange Zeit. Corinne Bailey Rae war alles andere als untätigt, hatte diverse Ideen und Projekte in der Hinterhand, ist zudem Mutter zweier Kinder. Ihr neuestes Werk, das sie in Eigenregie veröffentlicht, ist Teil eines seit Jahren geplanten Projekts. Von Kunstobjekten inspiriert, gibt es neue Songs, ein Fotobuch, Visuals, Vorträge, Ausstellungen und Live-Performances. Zudem entwickelt sich der Sound deutlich weiter und könnte über weite Strecken kaum mehr Distanz zu ihrem großen Hit „Put Your Records On“ aufbauen. „Black Rainbows“ heißt die kunstvolle Revolution willkommen.
Dass hier ein angenehm anderer Wind weht, zeigt sich von Anfang an. „A Spell, A Prayer“ verzichtet auf musikalische Gefälligkeiten und gibt sich avantgardistisch, ohne der Avantgarde zu verfallen. Was sich seltsam liest, hat tatsächlich Methode, denn die Kollision aus Neo Soul, RnB-Elementen und Jazz-Visionen geht sofort ins Ohr. Frühlingshafte Melodien umgarnen die im Refrain donnernden Drums, das noisige Anschwellen überrascht mit Post-Rock-Strukturen. Apropos Rock: Bereits der erste Vorbote „New York Transit Queen“ fiel gekonnt aus dem Rahmen. Zackiger, glammiger Punk, voller Chants und Riffs, richtig schön laut und übersteuert, nach 110 Sekunden schon wieder vorbei – was war das denn?
Große Kunst, das war es, denn Corinne Bailey Rae vermischt mehr und mehr musikalische Grenzen. Das ellenlange „Peach Velvet Sky“ bricht die Formensprache auf und reduziert die Instrumentierung auf ein absolutes Minimum. Ein jazziges Piano und Bläser begleiten stimmliche Experimente. Davor lauert mit „Put It Down“ ein absoluter Gigant, der sich achteinhalb Minuten lang häutet. Futuristischer RnB, wütende Beat-Salven, endlose Loops und fiese Dancefloor-Attacken finden zueinander und verlegen den Club in den Ausstellungsraum. Im Vergleich dazu wirkt „He Will Follow You With His Eyes“ locker und zurückgelehnt, verspielt und verrucht, mit einem kräftigen Augenzwinkern ausgestattet.
Rahmen gesprengt, aber wie: Mit dieser Platte war nicht unbedingt zu rechnen, doch ist es eine helle Freude, exakt das zu bekommen. Corinne Bailey Rae wagt auf allen Ebenen mehr und riskiert mit diesem multimedialen Projekt verdammt viel. Und: Es geht auf, zumindest auf der hier vorliegenden musikalischen Ebene. Die RnB-lastigeren, gerne mal poppigen bis groovenden Klänge ihrer früheren Alben rücken in den Hintergrund und machen stilistischer Pluralität sowie mutigen Experimenten Platz. „Black Rainbows“ ist ein jazziger Ausritt, ein Neo-Soul-Feldversuch, ein futuristisches Spiel mit Erwartungen und Klangräumen. Gewöhnungsbedürftig? Fuck yeah, aber eben auch verdammt gut und ein deutliches Zeichen für Corinne Bailey Raes Qualitäten als Musikerin und Songwriterin.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 15.09.2023
Erhältlich über: Black Rainbows Music / Thirty Tigers (Membran)
Website: corinnebaileyrae.com
Facebook: www.facebook.com/corinnebaileyrae