Friends Of Gas – Kein Wetter

Friends Of Gas
(c) Marius Gardeia

Intensiv, schroff, ein rauschendes musikalisches Erlebnis zwischen Schein und Sein: Wo Friends Of Gas hintreten, wächst kein Gras mehr. Der finstere, karge Sound des Münchner Quintetts glänzt durch abstoßende Schönheit und bizarr-paradoxe Aufbauten, irgendwo zwischen Post Punk, Noise und Kraut firmierend. Für „Kein Wetter“ erheben sie sich ein zweites Mal aus dem Düster-Keller und starten einen Angriff auf sämtliche Sinne, in beklemmende Arrangements gekleidet.

„Kapital oder kapitulieren“, bricht es aus Nina Walser in „Schrumpfen“ wiederholt heraus. Diese skandierte Prägnanz wird von reduzierter Gemächlichkeit, von seltenen lauten Ausritten, von geradezu manischen Schleifen begleitet. Graue Karglandschaft und soziale Enttäuschung bäumen sich auf. Direkt danach packt „Blaiberg“ den Punk aus. Die wütende, fiese Uptempo-Attacke hebt sich vom Rest der Platte weitestgehend ab – furios, kurz und in seiner Urgewalt perfekt auf den Punkt gebracht.

Die Antwort auf derlei verknappte Darstellung findet sich am Ende des Albums, denn die beiden finalen Tracks nehmen zusammen 18 Minuten in Anspruch. „Im Bad“ erinnert stellenweise an die adoleszente Enttäuschung früher Tocotronic, von noisigen Kraut-Schleifen herrlich ad absurdum geführt und ins Endlose getrieben. Dort wartet bereits „Selber keine“, konstant am Anschlag operierend, ungemütlich und herrlich abstoßend. Klingt nach Verweigerung, lässt lyrisch viele Fragen offen und bewegt. „Stechpalmenweg“, ein Verweis auf die Hollywood-Szenensammlung des geschätzten Peter Stephan Jungk, befasst sich lautmalerisch mit den Abgründen der Traumfabrik, während der grandiose Opener „Waldbrand“ in seiner schieren Wucht und Präzision unübertroffen bleibt, zumindest bis Friends Of Gas plötzlich zu tänzeln beginnen, was ebenfalls gut kommt.

„Kein Wetter“ schraubt den Gas-Freunde-Wahnsinn in neue Höhen, wirkt noch unsympathischer und doch gleichzeitig so famos. Diese Gratwanderung zwischen abstoßener Arrangierung, düsterer Harmonisierung, pointierter Message und musikalischem Mäandern zwischen den Welten bekommt Friends Of Gas hervorragend, wirkt eingängig und grimmig zugleich. Irgendwo zwischen Karies und Faust herrscht post-krautige Idylle – großes Kino mit kleinen Gesten.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 05.06.2020
Erhältlich über: Staatsakt (Bertus)

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