Bright Eyes – Down In The Weeds, Where The World Once Was

Bright Eyes
(c) Shawn Brackbill

Vor neun Jahren schickte Conor Oberst seine Bright Eyes in eine inoffizielle Pause. Fortan widmete sich der einstige König von Saddle Creek verschiedensten Projekten, reanimierte die krachigen Desaparecidos und veröffentlichte unter eigenem Namen. 2017 trafen sich Oberst, Mike Mogis und Nate Walcott bei einer Feier, man beschloss erneut gemeinsame Sache zu machen. In einem großen Jubiläumsjahr – 20 Jahre „Fevers And Mirrors“, 15 Jahre Doppelschlag „Digital Ash In A Digital Urn“ und „I’m Wide Awake It’s Morning“ – besinnen sich Bright Eyes auf ihre Wurzeln und nehmen zugleich alles mit, was diese Band so spannend macht. „Down In The Weeds, Where The World Once Was“ dreht die Uhr zurück und blickt doch nach vorne.

Als ein Virus begann, die Welt auf den Kopf zu stellen, meldete sich das Trio mit einem ersten Track zurück. „Persona Non Grata“ sitzt komfortabel in der Mitte des Albums und breitet seine majestätischen Schwingen in aller gebührender Gemächlichkeit aus. Obersts Stimme ist immer noch brüchig und fragil, zugleich aber forsch und fordernd. Zwischen bewegendem Piano, sanften Backings und ausladendem Folk-Teil mit Bagpipes entwickelt dieses langsame Stück packende Eigendynamik. „Forced Convalescence“, ein weiterer Vorbote, bemüht sich hingegen um leichtere Töne, wirkt federnd und euphorisch. Kaum will man die Bright Eyes in den Arm nehmen und einen wilden Reigen tanzen, kollidiert der Indie Folk mit noisigem Chaos. Auch das hat Stil und ist letztlich nur konsequent.

Unter den 14 Songs – das ellenlange Intro sei als Backdrop großzügig hinzugezählt – findet sich keine Schwachstelle. Der eigentliche Aufgalopp, der erste echte Track, hat sogleich das Zeug zum Abräumer. „Dance And Sing“ nimmt Streicher mit, wohlige Indie-Klänge mit feinem AOR-Flair, dazu epische Spannungsbögen. Im Vergleich dazu wirkt „Tilt-A-Whirl“ reduziert, täuscht aber nur den Folk der Anfangstage an. Ein warmherziges, buntes Arrangement entwickelt sich. Ähnliches trifft auf „To Death’s Heart (In Three Pieces)“ zu, das sogar ein paar synthetische Elemente aufs Parkett zaubert und die Rundreise durch den faszinierenden Backkatalog des US-Trios komplettiert. Vergleichsweise einfache, direkte Stücke wie „Mariana Trench“ und „Calais To Dover“ lockern das Geschehen zwischendurch auf, ohne auf weitere Überraschungen zu verzichten.

Letztlich erfüllt „Down In The Weeds, Where The World Once Was“ sämtliche Erwartungen, ohne dabei auf der Stelle zu treten. Oberst, Mogis und Walcott bringen alles ein, was sich in gut zwei Jahrzehnten Bright Eyes an Ideen und Strömungen ansammelte, und packen dies in neue, gewohnt packende Songs. Ein Übersong, der die komplette Platte überstrahlt und das Zeug zum Klassiker hat, mag vielleicht fehlen, dafür funktioniert dieses ellenlange und doch zu keiner Zeit ermüdende Kleinod in seiner Gesamtheit hervorragend. Bright Eyes blicken nach vorne mit eineinhalb Beinen in der Vergangenheit und demonstrieren eindrucksvoll, warum man sie vermisst hat.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 21.08.2020
Erhältlich über: Dead Oceans (Cargo Records)

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