Aeon Station – Observatory

Aeon Station
(c) Ebru Yildiz

Nach 18 langen Jahren erscheint tatsächlich ein neues Wrens-Albums. Es heißt bloß anders und die Band gibt es offenkundig nicht mehr. Scheinbar fertige Platten wurden zurückgezogen, überarbeitet und wieder auf Eis gelegt, bis ein Disput um die finanziellen Anteile bei den Songwriting-Credits endgültig den Stecker zog. Kevin Whelan hat zumindest genug und macht nun solo weiter. Als Aeon Station präsentiert er eine Fülle an Songs, die er in den letzten 14 Jahren schrieb – teils für The Wrens, teils für sich selbst. Der Titel „Observatory“ lehnt sich an Whelans autistischen Sohn an, der zwar kaum mit seiner Umwelt kommuniziert, diese dafür eingehend beobachtet.

Musikalisch bewegt sich Whelan über weite Strecken zwischen zwei Extremen: treibender Alternative Rock mit einer gewissen Springsteen-Note sowie Indie-Pop-Fragilität, die an Elbow sowie die Anfänge von Coldplay erinnert. „Leaves“ gehört definitiv zweiterer Kategorie an, zieht eine auf den ersten Blick simple Idee in die Länge und lässt die narrativen Fäden schließlich frei, um neue Ebenen zu erreichen, um in einem hoffnungsvollen Crescendo nach der überweltlichen Umarmung zu suchen. Hingegen macht „Empty Rooms“ genau das, was der Titel besagt, und scheint sich in einem komplett leeren Zimmer zu platzieren, Hall und Fragilität inklusive.

Von derlei positiver Beklemmung ist das folgende „Air“ weit entfernt. Zwar bäumt sich auch dieser Track langsam, geradezu zöglicher auf, doch lässt Whelan nun Distortion, Lautstärke zu. Der große Höhepunkt, etwas an die Post-Rock-Radioideen von Sigur Rós erinnernd, wirkt zugleich episch, lebensbejahend und richtig schon muskulös. Noch drastischer – verhältnismäßig, versteht sich – geht „Fade“ damit um und operiert fünfeinhalb Minuten lang am ausufernden, druckvollen Anschlag, der an die späteren Album der Bright Eyes bei Saddle Creek erinnert. Im explosiven „Queens“ tauchen ruppige, ungefilterte Breitseiten auf. Durchaus bratende Heavyness und zarte Zäsuren zwischendurch verfehlen ihre Wirkung nicht.

So klischeebehaftet diese Phrase mittlerweile sein mag: Kevin Whelan spielt sich frei, in allen Belangen. „Observatory“ beeindruckt alleine schon durch seine monumentale Präsenz, die zugleich unheimlich wuchtig und schroff rüberkommen kann, nur um ein paar Minuten später zärtlich zu flüstern, fragil durch Traumwelten zu taumeln. Aeon Station lieben die Extreme, die krassen musikalischen Unterschiede, die gewollten Brüche. Mit jedem Durchlauf fügt sich das Gesamtbild besser zusammen. Es ist eine schöne Platte geworden, auch ohne The Wrens, mit frischem Antrieb und willkommener Vertrautheit.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 10.12.2021
Erhältlich über: Sub Pop Records (Cargo Records)

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