Delta Spirit – What Is There

Über die Jahre waren Delta Spirit zur Familie gewachsen. Wie sich das für Familien so gehört, braucht man gelegentlich Abstand voneinander. So gab es nach dem 2014 veröffentlichten Album „Into The Wide“ erst einmal eine Auszeit. Frontmann Matthew Logan Vasquez veröffentlichte mehrere Soloplatten, Kelly Winrich produzierte unter anderem Nathaniel Rateliff und Jonathan Jameson, Will McLaren und Brandon Young gingen mit diversen Musikern auf Tour. Bei einer gemeinsamen Jam-Session 2018 fand die Familie wieder zusammen, die Reise geht endlich weiter. „What Is There“ knüpft an frühere Werke an und zeigt sich zugleich durch die Bandpause gereift.
Tatsächlich hört man ihnen die Auszeit nicht an – maximal dadurch, dass die neuen Songs frischer und noch leidenschaftlicher wirken. „How Bout It“ ist ohne Frage die größte Perle eines ohnehin großartigen Albums. Delta Spirit dehnen eine gekonnte Indie-Americana-Idee über sechs Minuten aus und hangeln sich über bedeutungsschwangere Piano-Darbietungen in ein Epos, das einfach nicht zu wachsen aufhören will. Nach und nach stoßen weitere Instrumente hinzu, bevor ein überdimensionales Classic-Rock-Gitarrensolo das Heft in die Hand nimmt und gleich mehrere Jahrzehnte zurück in die Zeit reist. Einfache Zutaten, großartige Zusammensetzung, dazu butterweiche Backings zu purem Gefühl – ein Song, an dem sich das Quintett künftig messen lassen muss.
Das ist aber bei weitem nicht der letzte Leckerbissen auf dieser Platte. „Lover’s Heart“ lässt zwar das große Drama weg, das konsequente Hinarbeiten auf den gewaltigen, alles umarmenden Moment mit Glum-Qualitäten und Songbook-Querverweisen reißt allerdings mindestens so mit wie das schräge, laute „Home Again“. In diesem Dreiminüter brodelt es von der ersten Sekunde an, Vasquez singt mit Gitarre und Piano um die Wette. Es wird lauter und lauter, richtig schön wild und chaotisch, bevor die Coda große Gefühle freisetzt. Der locker-flockige Auftakt „The Pressure“ rockt zudem mit wachsender Begeisterung los und verbindet große, radiofreundliche Harmonien mit getriebenen Indie-Sounds und Fernweh. Große Überraschungen bleiben aus, doch in Verbindung mit dem folgenden Tanzflächen-Querverweis „It Ain’t Easy“ (selbstverständlich im typischen Delta Spirit-Sound) macht dieses Eröffnungsduo richtig viel her.
In einer mehr als kurzweiligen Dreiviertelstunde zeigen Delta Spirit, dass sie rein gar nichts verlernt haben, und jetzt vielleicht sogar noch besser, noch stärker sind. Die Kombination aus fieberhaften Epen, kleinen Indie-Perlen und bester Americana-Laune weiß zu begeistern und hat durchaus zeitlose Qualitäten. „What Is There“ ist eine Platte für lange Roadtrips, für den stilvollen Radioeinsatz, für begeisternde Konzerte und stille Momente am Lagerfeuer – ein packender Allrounder mit gewohnt starkem Songwriting und noch mehr Leidenschaft. Wie gut, dass Delta Spirit wieder da sind.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 11.09.2020
Erhältlich über: New West Records / Pias (Rough Trade)
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