Billy Zach – Struggle On
„Shallow“ – ein Begriff, der mit der Musik von Billy Zach nichts zu tun hat, dennoch die perfekte Überschrift für ihr Debütalbum war. Die schrubbende Düsternis ihrer Post Punk-Visionen, gepaart mit Garage-Gitarren und finsteren Wave-Exkursen, erzeugte direkt einen Sturm im Wasserglas. Nun wird nachgelegt, und zwar in besonders ausladender Form. 73 Minuten Musik bäumen sich auf, wenn „Struggle On“ landet. Ist es tatsächlich ein Kampf, mit dieser Unmenge an neuem Material zu Rande zu kommen? Ja, aber eigentlich nein, so die etatmäßig uneindeutige Antwort.
Die Eigenwilligkeit der hervorgekramten Finster-Schwere fällt sofort auf und brennt sich ebenso schnell ein. „Lazy And White“ bringt die angenehme Schwerfälligkeit der Hamburger herrlich auf den Punkt, stürzt sich nach einem nervösen Auftakt mit Einsetzen der tiefen, ruppigen Vocals sogleich den ersten von vielen Abhängen hinab. Oft mehr Skandieren als Gesang, wie ein beschwörender Schamane am Rande des vorhersehbaren Untergangs. Währenddessen scheuern die Gitarren, die Rhythmusabteilung stimmt einen Gummitwist nach dem anderen an. Der butterweiche und doch melancholische Zauber von „A City In The Warm Rain“, stilecht mit Spoken-Word-Part ausgekleidet, zeigt im direkten Anschluss eine weitere Facette, die purer Eskalation immer näher rückt.
In der zweiten Albumhälfte setzt hingegen die Überlänge ein, fast jeder Track bewegt sich zwischen acht und gut zwölf Minuten Spielzeit. Und, das ist wohl entscheidend, diese XXL-Dimensionen kommen weitestgehend ohne Füllmaterial aus. Vielleicht hätte man den einen oder anderen Aufbau straffen können („Greed“ kommt in den Sinn), dafür ist die jeweilige Auflösung grandios. Am besten macht es vielleicht „Something Real“, das von urbaner Dystopie zu aufbrausendem Post Punk mutiert. Immer schneller und schneller wird der Track, läutet eine rabiate Abfahrt nach der nächsten ein und bleibt dabei dennoch halbwegs eingängig. Gerade die Lead-Gitarre hat es in sich und erinnert im besten Sinne an frühe Editors, während das Arrangement nicht nur Neubauten einstürzen lässt.
Ja, es ist verdammt viel Musik geworden, die zeitweise an die Grenzen des Mach- und Erfassbaren führt. Dass dennoch jedes einzelne Kapitel wichtig, packend und essenziell wirkt, spricht absolut für Billy Zach, denn man könnte sich kaum sinnvolle Kürzungen vorstellen. „Struggle On“ muss überlang sein, muss wehtun, muss das Nervenkostüm aufs Äußerste strapazieren. Kleine Finster-Hits und packende Epen, sogar die als Songs getarnten Intros und Outros beißen sich im Nu fest und setzen eindrucksvoll desolate Strahlkraft frei. Auf ihrem zweiten Album strecken sich Billy Zach gen Himmel und finden verzweifelten Beton vor – eine hochspannende Tour de Force für Berufsmelancholiker mit einem Ohr für feine Melodiekünste.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 22.01.2021
Erhältlich über: La Pochette Surprise Records
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