Tim Hart – Winning Hand

Tim Hart
(c) John Hart

Als die Welt im vergangenen Jahr stillstand, hatte Tim Hart endlich Zeit, etwas innezuhalten. Im Herbst 2019 meldeten sich Boy & Bear nach mehreren Rückschlägen erfolgreich zurück, zu ausgedehnten Tour-Aktivitäten kam es allerdings nicht mehr. Hart lebt mittlerweile in Brisbane, zwölf Stunden von seiner Heimatstadt Sydney entfernt, ist kürzlich Vater geworden und schreibt nebenher auch noch Soloalben. Für ein solches hatte er dann doch unerwartet Zeit gefunden und tritt mit „Winning Hand“ in den direkten Dialog mit seinem Publikum.

Große Gefühle und noch größere Melodien durchziehen diese 48 Minuten, und das eröffnende „Steady As She Goes“ ist vielleicht die perfekte Zusammenfassung dieser Platte. Harts Gesang wirkt federleicht, die Gitarre tänzelt leicht angeschlagen über dem Arrangement und trifft auf schüchterne Streicher. Gemeinsam wächst man und geht im Eilzugstempo unter die sprichwörtliche Haut. Dort wartet bereits das wunderbar getragene, vorwitzige „Atlanta“ mit sehnsüchtigen Blechbläsern und lockerem Flow. Von Harts Reisen in die USA inspiriert, hat der angenehm schwere und zugleich softe Song durchaus zeitlose Qualitäten.

Natürlich bleibt der Boy & Bear-Frontmann Gevatter Folk treu. In „Ace Of Hearts“ tritt dieses Faible besonders deutlich hervor, energisch und doch zurückgenommen vorgetragen. Der Widerspruch wird zur großen Stärke, der melodische Feinsinn setzt sich durch. Ähnliches gilt für „Wild White Tiger“, ein sympathischer Indie-Folk-Hybrid mit gedoppelten Vocals und feinster Melancholie im Harmoniebedürfnis. Eine gewisse Unruhe begleitet „Turn To Salt“, ein weiterer Reise-Song, dieses Mal mit europäischer Ausprägung. Es brodelt in Hart, Erinnerungen an jüngere Death Cab For Cutie-Alben werden wach.

Tim Hart macht das Beste aus der unfreiwilligen Live-Auszeit und dem privaten Tapetenwechsel mit einem weiteren bezaubernden Solowerk. „Winning Hand“ sprudelt über vor guten Ideen und kondensierter Leidenschaft, serviert elf kleine Indie-Folk-Perlen mit poppiger Leichtigkeit und einer sympathischen Schwere, die perfekt zu den letzten zwölf Monaten passt – Hoffnung und Aufbruchsstimmung mit einer gesunden Portion Realismus und beiden Beinen auf dem unebenen Boden. Hart bleibt ein Meister seines Fachs, egal ob solo oder mit Band.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 19.02.2021
Erhältlich über: Nettwerk / ADA (Warner Music)

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