Great Escapes – Okay
Muss immer alles toll und großartig sein? Definitiv nicht, finden Great Escapes, und erklären, dass man absolut mal scheitern darf. Der stete Zwang zur Selbstoptimierung geht dem Trio aus Münster auf den Keks, dem Hang zu Perfektionsmus wird der Mittelfinger gezeigt. Es ist absolut in Ordnung, nicht ganz oben zu stehen, einfach nur man selbst zu sein. Und so trägt das zweite Album der Emo-Punk-Feinschmecker den deutlichen wie versöhnlichen Titel „Okay“.
Jeden Tag tolle Dinge zu erwarten, das ist definitiv Käse, erklärt Frederik Tebbe im Opener „Tyler“ und bezieht sich damit auf einen Kalenderspruch-Sticker, der ihn in einer Fußgängerzone anlachte. Der zunächst stoische, dann berauschende Song zwischen Aufbruchsstimmung und introvertierter Implosion macht als Aufgalopp einiges her. Danach lässt „Ashes“ zumindest zeitweise die Muskeln spielen mit ein wenig mehr Druck, der schließlich einen hymnischen, aufwühlenden Refrain abwirft. Klar, die Mischung ist jetzt weder neu noch revolutionär, aber eben auch richtig gut – ein kleiner Ohrwurm, wenn man so möchte.
Das Spoken-Word-Stück „You Are Welcome“ fällt geschickt aus dem Rahmen und tankt sich textreich durch melancholische Beklemmung. Auf dem Höhepunkt kracht Benjamin Mirtschin von City Light Thief mit Tür und Angel ins Studio und formvollendet das Stück auf ureigene Weise. Mirtschin ist nicht der einzige Gast auf dieser Platte, unter anderem kümmert sich Niclas Steinkamp von Elm Tree Circle um die Background-Chöre. In „Autumns And Atoms“ machen diese eine herrlich ominöse, bedeutungsschwangere Aufwartung, bevor „Are You Okay?“ mit so etwas wie Überschwang dem Sonnenuntergang entgegensteuert.
Tatsächlich hat jeder einzelne dieser zehn Tracks auf ureigene Weise Stil, darunter das packende „A Daily Death“ und der spannende deutschsprachige Exkurs „Phobophobie“. In einer guten halben Stunde ist „Okay“ schon wieder rum, und das ging definitiv zu schnell. Der kurzweilige Zweitling rattert gut durch und bleibt trotzdem hängen mit seinen kleinen Ecken und Kanten, mit seiner stimmungsvollen Cleverness, die gerne mal beklemmende und nachdenkliche Töne anschlagen darf. Great Escapes entkommen dem Fluch des zweiten Albums mit einem weiteren kleinen Charmebolzen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 19.03.2021
Erhältlich über: Midsummer Records (Cargo Records)
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