Jungle – Loving In Stereo

Jungle
(c) Anna Victoria Best

Nach eineinhalb miesen Jahren wäre ein Besuch in der Disco gar nicht mal verkehrt. Ob man nun unter Menschen möchte oder nicht, Jungle holen den stilvollen Retro-Tanzschuppen in die eigenen vier Wände. Das britische Produzentenduo Josh Lloyd-Watson und Tom McFarland erreichte mit den beiden bisherigen Platten die Top 10 in der Heimat, das selbstbenannte Debüt war sogar für den prestigeträchtigen Mercury Prize nominiert. Für „Loving In Stereo“ schlossen sich Jungle mehr oder minder ein Jahr lang im Studio ein, mit ein paar ausgewählten Freunden, und schrieben den passenden Soundtrack für die große Post-Lockdown-Euphorie.

Ein Song wie „All Of The Time“ zeigt recht deutlich, warum dieses Album so wichtig ist und Jungle verdient abgefeiert werden. Kraftvoller Gesang, ein lässiger Beat und Disco-Feeling mit Funk-Untertönen und ganz viel Retro-Energie ergeben ein organisches, dennoch treibendes Gesamtbild. Der Song wirkt im besten Sinne aus der Zeit gefallen. Top-Newcomerin Priya Ragu gibt sich in „Goodbye My Love“ ein Stelldichein und zeigt deutlich, warum sie als neuer Stern am Soul- und RnB-Himmel gilt. Ihr smoother Gesang passt zum butterweichen, verspielt schwebenden Song wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Schnell fühlt man sich auf Wolke 7 gebettet.

Dort wartet bereits Rapper Bas und holt „Romeo“ zurück auf den Boden der Tatsachen. Und doch bleibt es irgendwie stylisch und kurzweilig, denn der lockere Flow liefert Futter für die Seele, begleitet von einem seltenen rohen Beat-Synth-Konzept, das ganz entfernte Erinnerungen an Basement Jaxx weckt. Wo Simon Ratcliffe und Felix Burton in Richtung Club arbeiten, gehen Jungle die Sache deutlich entspannter an. Mit ein paar Tweaks könnte ein „Fire“ brutal abheben, doch steht letztlich ein markanter, unterhaltsamer Basslauf im Mittelpunkt des Geschehens. „What D’You Know About Me?“, heißt es an anderer Stelle, mit luftiger RnB-Stimme und Tempo vorgetragen. Spaß macht auch „Keep Moving“, der große Disco-Hit der Platte. Das britische Duo nimmt alles mit, was das Genre ausmacht, und klingt doch so herrlich frisch, so wunderbar lebhaft.

Zu „Loving In Stereo“ muss man sich einfach bewegen. Ja, die angekündigte Euphorie ist in rauen Mengen vorhanden, ohne übertrieben auf die Nerven zu gehen. Jungle haben Spaß an ihren Disco-Ausflügen und lassen die ganze Welt daran teilhaben. Organische, kraftvolle Dance-Nummern lassen auf eine bessere, glücklichere Zeit hoffen. Oder einfach nur den ganzen Mist wegtanzen mit einer gesunden Portion Eskapismus. Endlich kocht der Club wieder, und zwar mit dem richtigen Mix aus geschmackssicherer Arrangierung und treibender, bewegender Lebensfreude.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 13.08.2021
Erhältlich über: Caiola Records (Rough Trade)

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