Manic Youth – Funland

Der intensive Blick auf das eigene Schuhwerk legt Faszinierendes frei. Das wissen Manic Youth aus Wien nur zu gut. Zwei Jahre nach ihrem Debütalbum „Frail“ fanden sie sich auf Platte wieder. Paranoia und neue Ängste begleiteten die Arbeiten am Zweitling, hielt man sich doch im Lockdown gelegentlich illegal im Proberaum auf. Die positive Aufregung des Songwritings kollidierte mit der Gefahrensituation. Genau dieser Spagat findet auf „Funland“ zueinander. Die Auseinandersetzung mit eigenen Fehlern, das Ende der Wut und das Loslassen beflügelte das Quartett zu neuen 90s-Höhenflügen.
Die Magie der beklemmenden Melodie ist steter Begleiter dieses Albums. Grundsätzlich sind Manic Youth zwischen Gaze und Alternative beheimatet, doch gelegentlich zieht es sie in härtere Gefilde. So bäumen sich bereits im eröffnenden „Telephobia (A New End)“ Klanglandschaften auf, die prima zu Post Black Metal passen würden, allerdings durch weicheren Gesang und clevere Variationen schnell entschärft werden. Der Track nimmt vermehrt Rauschfeeling an, hebt ab. In „Sorry For A Lifetime“ scheint die metallische Explosion nah, befeuert von geradezu punkigen Salven, doch kommt das pointierte Chaos letztlich ohne den fatalistischen Absturz aus.
Stetes Wandeln am Abgrund bekommt Manic Youth gut und bietet zugleich beste Voraussetzungen für kleine Hits. Das ausufernde „Shinitching“ dürfte mit seiner Melancholie eigentlich nicht so steil gehen, doch brennen sich die mäandernden Spannungsbögen sofort ein. Ähnliches gilt für „Coming Of H“, dessen Kollision mit den ätherischen Vocals und einem Gitarrensolo wie aus dem Spielbuch von Dinosaur Jr. aufgeht. Bezaubernd ist auch das ellenlange „Lucid“, dessen knapp sieben Minuten tatsächlich mit einem Hauch Blackgaze loslegen. Ebbe und Flut geben sich die beklemmende Klinke in die Hand, eine wunderschöne Unruhe begleitet die himmlischen Momente dieses Monolithen.
Manic Youth zünden ihr Feuerwerk in media res und betrachten fortan das Spiel der Farben, Flammen und Explosionen mit Gusto. „Funland“ bemüht Stärke und Selbstbewusstsein, sucht nach besseren Tagen und lässt zugleich Ängste, lässt Sorgen zu. Dieser doppelte Boden des Daseins trifft auf eine sympathische Shoegaze-Version, die, wie so viele andere Bands momentan, zwar tief in den 90ern verankert ist, dennoch den steten Ausbruch versucht. Bratende Heavyness, filigrane Atmosphäre und sogar Alternative-Sehnsucht kollidieren wiederholt, betont heftig. Begleitet von der nervösen Energie der ungewöhnlichen Entstehungszeit schaut unterm Strich eine grandiose Perle heraus, die sich jeden Funken Aufmerksamkeit redlich verdient hat.
Wertung: 4,5/5
Erhältlich ab: 24.11.2021
Erhältlich über: Sissi Records (Broken Silence)
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