Swutscher – Swutscher

Swutscher
(c) Manuel Tröndle

Wenn Anachronismus zur Quasi-Avantgarde reift, dann sind Swutscher nicht weit. Ihr Sound – weitestgehend rund um Pub Rock und Rock’n’Roll angesiedelt – wäre eigentlich wunderbar antiquiert und passt trotzdem perfekt ins Hier und Jetzt. Bereits mit ihrem Debütalbum „Wilde deutsche Prärie“ rannten die Hamburger offene Türen ein, fast vier Jahre später gibt es endlich Nachschub. Komplett selbst produziert und in Eigenregie gebastelt, um keine Kompromisse eingehen zu müssen. Der leidenschaftiche und zugleich gefühlvolle Rock-Ansatz nennt sich dieses Mal schlicht „Swutscher“ und rennt offene Türen ein.

Laub und Estrich werden mit zunehmendem Alter immer wichtiger. Zu dieser Erkenntnis kommt „Ü30“, ein wunderbar ruppiges und zugleich herrlich eingängiges Energiebündel. Die Orgel brennt sich ein, die Gitarren sind dick, nebenher tanken sich Swutscher durch den Elan der 50s und 60s. In „Rocker“ schlagen sie ähnlich über die Stränge und haben hörbar Spaß daran. In der Präsentation erinnert das schon mal an die knackigen, direkten Nummern von Tocotronic – Jan Müller ist erklärter Fan der Band – dazu kommt eine wunderbare Selbstbeschreibung, die fast schon Mod-Charme in sich trägt.

Am anderen Ende lauert „Im Suhlenkamp“, ein Wunderwerk der ausladenden Erzählung mit einem Hauch von Psychedelia sowie einem plötzlichen Twist. Diese unheilvolle und doch vereinnehmende Atmosphäre zieht sich auch durch „Mystische Nächte“, ein obskures und doch begeisterndes Monument des Wahnsinns. Noch ausladender wird es nur in „Bodo“, einer neuen Version des gleichnamigen Tracks von der ersten EP, nun auf fast acht Minuten ausgedehnt und wunderbar einem imaginären Wahnsinn verfallen. Sogar ein klassisches Gitarrensolo hat sich hier eingeschlichen. Kurze, schmissige Nummern, darunter das launige „Tohuwabohu“ und das bissige, fast schon peitschende „Daheim“ mit Garage-Untertönen, runden das Geschehen geschickt ab.

Konsequent und konzentriert erweitern Swutscher ihren Sound, besinnen sich auf alte Stärken und landen damit einen Volltreffer. Wie man gleichzeitig so modern und doch komplett aus der Zeit gefallen klingen kann, bleibt ein Rätsel, soll aber auch nicht weiter stören und beschäftigen. „Swutscher“ ist eine Sammlung großartiger Songs und Perlen mit feinem Storytelling, wunderbarer Retro-Action und ganz viel Leidenschaft, die förmlich nach einem Bühnen-Comeback schreit, zu dem es im April und Mai hoffentlich auch wirklich kommen wird. Dann haben die Hamburger ihr bislang bestes Album im Gepäck.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 25.02.2022
Erhältlich über: La Pochette Surprise Records (Membran)

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