Car Seat Headrest – The Scholars

Car Seat Headrest
(c) Carlos Cruz

Willkommen auf der Parnassus-Universität! Für lineare Vorhersehbarkeit hatten Car Seat Headrest so und so noch nie viel über, auch nicht zu den Anfängen als Soloprojekt von Will Toledo. Ihr neues Werk, das erste seit fünf Jahren, befasst sich dennoch mit selbst für die Band anspruchsvoller XXL-Konzeptkunst. Unter anderem inspiriert von der überraschenden Verjüngung ihres Publikums, als es nach den ersten Lockdowns zurück auf die Bühne ging, findet sich „The Scholas“ auf dem Campus der eingangs erwähnten fiktien Lehranstalt wieder und präsentiert eine zweiteilige, von Rock-Opern und Konzeptalben, von Shakespeare und Mozart inspirierte Erzählung – erst von den Studierenen getragen, dann vom Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Aufbruch.

Ein Achtminüter zum Auftakt passt irgendwie ins Bild, und „CCF (I’m Gonna Stay With You)“ macht seine Sache natürlich richtig schön. Die stimmliche Pluralität kreist um das kaum zusammengehaltene Arrangement, erst spät nimmt der Track Schwung auf und bleibt doch bezaubernd, geradezu leichtfüßig. Es ist dies einer von vielen etatmäßigen Widersprüchen des wundervollen und doch stets angenehm eingängigen überlangen Formats, das in „The Catastrophe (Good Luck With That, Man)“ einen hibbeligen, flotten Ausläufer findet. Wie die schroffen Gitarren immer wieder aufbranden und das Tempo stellenweise sogar dezent punkiges Niveau annimmt, macht mindestens so viel Laune wie das gemächliche, schwelgende „Devereaux“ mit seinem großen, kleinen Refrain.

In der zweiten Hälfte kommt hingegen jene Übertreibung durch, die sogar den Wahnsinn von „Twin Fantasy“ übertreffen kann. Drei Tracks zwischen elf und 19 Minuten hintereinander zwingen dann doch in die Knie, wobei das monumentale „Planet Desperation“ zugleich beispiellos zeigt, wie weit die Band inzwischen gekommen ist. Eine wahre Art-Prog-Arie befasst sich mit existenziellen Fragen und reiht verschiedene packende Parts aneinander – filigraner Indie Pop, großspuriger Rock, ja sogar komplett abgedrehte Soli finden zusammen, bevor mittendrin zarter Chamber-Pop den Wiederaufbau antreibt. Und doch ist jeder Moment anders, für sich groß und zugleich der Übertreibung nah.

Dass diese komplette Sprengung etwaiger irdischer Fesseln und Hörgewohnheiten letztlich doch mehr als in Ordnung geht, spricht absolut für die große Klasse der Band. Eigentlich, wenn man sich das ehrlich eingesteht, ist „The Scholars“ viel zu viel des Guten. Und doch ist alles hieran gut, meist sogar richtig, richtig gut. Car Seat Headrest drehen komplett am Rad, hätten sicher auch mit dem einen oder anderen kürzeren Song ähnliche Wirkung erzielt, und doch macht es so unheimlich viel Spaß, sich diese ambitionierte bis größenwahnsinnige Platte zu erarbeiten. Der Indie-Sound darf sich noch breiter aufstellen, liebt sein Pop-Herz ebenso wie seine großspurigen Art-Ausflüge, die große Fragen noch gewaltiger umsetzen. Offene Ohren und offene Herzen lohnen sich für diese schwierige und doch stets packende Platte immer.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 02.05.2025
Erhältlich über: Matador Records / Beggars Group (Indigo)

Website: www.carseatheadrest.com
Facebook: www.facebook.com/carseatheadrest