Velvet Volume – Nest
Jene drei Schwestern, die einst auszogen, um mit kantigen Riffs für Furore zu sorgen, gibt es nicht mehr. Wobei, so ganz stimmt das nicht: Velvet Volume gibt es weiterhin, die drei Schwestern Noa, Naomi und Nataja Lachmi gibt es weiterhin. Bloß der Sound, der bemüht sich nun um weitestgehend ruhigere Klänge. Die Däninnen wollten sich mit deutlich persönlicheren Themen auseinandersetzen, mit dem Heranwachsen zwischen Kulturen, mit Natur, mit Mystik, mit Melancholie und Angst. Entsprechend zeigt sich „Nest“ von einer insgesamt deutlich poppigeren Seite, und das ist nur einer von vielen Ankerpunkten.
Das überaus sympathische „In The End“ an zweiter Stelle bringt den verfeinerten Ansatz auf den Punkt. Gitarren sind keineswegs aus dem Sound des Trios verschwunden, spielen nun jedoch eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Grandiose Stimmen, ominöse Atmosphäre und vielschichtige Melodien schaffen Neues. „Ballerina“ reduziert den Ansatz auf ein balladeskes Minimum, würde mit ein paar Tweaks prima im Folk-Bereich funktionieren. In „Et Vers“ gibt es kaum Instrumentierung, dafür mehrstimmigen Gesang wie aus einem anderen Universum – eine anmutige und zugleich mystische Grenzerfahrung.
Ab und an packen Velvet Volume die Gitarren aus. So nimmt „At Sea“ ein kurzweiliges Riff mit, bevor das Piano an vorderste Front rückt und den Track in Americana- und Rock-Gefilde schubst, dabei aber schön poppig bleibt. Das schräge „Mother And Man“ mit Falsett nimmt Madchester mit in einer höchst unerwarteten, fast schon Club-tauglichen Wendung. Wieder ein paar Türen weiter verwischt „Blue“ endgültig die Grenzen zwischen Pop und Rock mit hymnischen Momenten, ein wenig Easy Listening sowie klanglichen Ideen, die etwas 70s-Anstrich mitbringen.
Die musikalische Häutung bekommt Velvet Volume gut. Sicherlich vermisst man die wuchtigen Gitarren der Vorgänger, dafür wirkt das Songwriting deutlich ausgereifter, zeugt die Arrangierung von einer neuen Liebe zum Detail und von deutlich mehr Selbstbewusstsein bei gleichzeitiger Intimität. „Nest“ ist in jeder Hinsicht das bislang persönlichste Album der Däninnen, von zarter Schönheit und zugleich kantiger Dringlichkeit geprägt. Weniger Ecken und Kanten, dafür deutlich mehr Profil: Dieser kleine Neustart gelingt komplett.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 18.02.2022
Erhältlich über: Mermaid Records (Membran)
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