Ruined – Everything Is

Ruined
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Solo-Projekt gewinnt Mitglieder für Live-Auftritte und wird schließlich zur vollwertigen Band, das ist die sehr stark vereinfachte Entstehungsgeschichte von Ruined. Sänger und Gitarrist Gian veröffentlichte die erste EP 2019 noch im Alleingang, mittlerweile sind die Schweizer als Quartett unterwegs, spielten zwei weitere Kleinformate ein und nützten die unfreiwillige Bühnenpause, um am eigenen Sound zu arbeiten. Ihr Emo-Punk mit Hardcore- und Punk-Rock-Einflüssen wirft nun das erste komplette Album „Everything Is“ ab. Darauf findet sich nicht nur neuer Stoff, sondern auch Material, das vor der eigentlichen Gründung entstand.

Der Sound ist roh, die Songs gehen trotzdem, vielleicht auch gerade deswegen, ins Ohr: Herzhaft schrammelt „Apathy“ los, dann rattert der konstant zwischen Up- und Midtempo gefangene Track durchs Gebälk. Ruined platzieren sich bewusst zwischen den Stühlen, wechseln auch stimmlich zwischen Melancholie und selbstbewusstem Ausdruck der eigenen Befindlichkeiten. Laut und doch introviert geht dieses Kapitel zu Ende. „Figure You Out“ wäre eine gelungene Überschrift für diese Platte, versucht man doch herauszufinden, was Ruined definitiv sagen wollen. Dabei liegt es eigentlich auf der Hand: Sie lassen ihren Gefühlen freien Lauf, die Musik darf sich in sämtliche Himmelsrichtungen ausbreiten. So auch in diesem knackigen und zugleich melodischen Exkurs.

Ominös führt der Opener „Left Of Me“ heran, legt nach zehn Sekunden einen imaginären Schalter um und donnert mit wuchtigen Uptempo-Klängen los. Punk drängt sich nach vorne, die Präsentation ist wild und doch so einfühlsam. In knapp drei Minuten tanken sich Ruined durch Emo, Punk und Hardcore mit einem erfrischend wilden Anheizer. „Lost In Your Eyes“ ist das krasse Gegenteil, ein reduzierter Leisetreter mit Trade Wind-Einschlag, meditativ und hochgradig beklemmend. „Windermere Road“ könnte davon kaum weiter entfernt sein, lässt hochgradig eingängige Momente mit klassischem Emo inklusive Midwest-Hauch konkurrieren.

Ruined stürzen sich auf ihr erstes Album mit umwerfender Wucht und mächtigem Elan. Die Regler werden auf Elf gedreht, das Herz zur Mördergrube erklärt und das Spiel mit Erinnerungen an so manch großen Rahmen mit wachsender Begeisterung vorangetrieben. In knapp 35 Minuten zerlegt „Everything Is“ alles, was nicht niet- und nagelfest ist, und findet trotzdem Zeit für ausdauernde Auseinandersetzungen mit komplett aufgewühlten Emotionen. Der Full-Length-Auftakt gelingt Ruined mit Charme, Nachdruck und inspirierender Vehemenz.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 04.03.2022
Erhältlich über: Eigenvertrieb

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