Cold Years – Goodbye To Misery

Cold Years
(c) Cameron Brisbane

Längst kein wohlgehütetes Geheimnis mehr, sondern womöglich nächste große schottische Band: Vor eineinhalb Jahren legten Cold Years nach zwei kurzweiligen EPs ein nicht minder starkes Debütalbum nach, das die Brücke zwischen Punk und Alternative Rock schlagen wollte – quasi ein Stück Heartland unweit der Highlands. Frontmann Ross Gordon fühlte sich von seiner Heimat erstickt, zog fort aus Aberdeen und ging nach Glasgow. Die Ideen wurden zunächst distanziert ausgetauscht, man holte sich einen Gastdrummer ins Boot, versuchte die goldene Mitte zwischen rebellischer Wut und optimistischer Hoffnung zu finden. Das Ergebnis: „Goodbye To Misery“.

Cold Years Punk-Verständnis lässt sich prima mit The Gaslight Anthem vergleichen, die liebend gerne Abstecher in Richtung Alternative und Heartland wagen, ohne dabei die eigenen Mitte gänzlich zu verlassen. Genau das kommt in „Headstone“ durch, einem kompakten wie hymnischen Track, der wunderbar flott und druckvoll loslegt, im Refrain die dicke Hose andeutet und sofort ins Ohr geht. Ähnliches gilt für „Britain Is Dead“, dessen angedeutete Schwere gar bekömmliche Züge annimmt. Eine Luftschutzsirene aus den 1940ern stiftet durchaus spannende Verwirrung.

Zudem setzt es Hits am laufenden Band, bei denen Against Me! gerne mal mitschwingen. „Say Goodbye“ packt eine Hook aus, die gar wunderbar ins Ohr geht und dabei alles andere als aufdringlich sein will. Wie sich der Chorus entlädt, ist ganz großes Kino. Dass Cold Years nichts zu verlieren haben, erklären sie in „32“, die vielleicht reifste Produktion bislang. Vom ruhigen, fast schon balladesken Beginn über den kraftvollen zweiten Start zur dicken Hymne bis hin zur schwerfälligen Zäsur werden Erinnerungen an die angeproggte Neuerfindung von Bands wie Green Day und My Chemical Romance wach – leicht bombastisch und doch so wunderbar druckvoll.

Rock, Rock und nochmals Rock: Wie punkig Cold Years auch immer sein mögen, es ändert nichts an ihren musikalischen Qualitäten, und die sind verdammt stark. „Goodbye To Misery“ steht für musikalische Öffnung und hält nichts davon, sich eisern an Scheuklappen, an Relikten aus längst vergangenen Tagen festzuklammern. Stattdessen setzt es dicke Hose, ohne auf dicke Hose zu machen – klingt wie ein Widerspruch, ergibt aber Sinn. Die zwölf Songs klingen richtig groß und mächtig, begeistern selbst in etwas ausufernden Momenten durch einfachste Konzepte. Und: Sie gehen verdammt nochmal ins Ohr. Cold Years legen ein starkes zweites Album hin, dessen Mini-Hits sicherlich mehr als nur einen Sommer lang glänzen werden.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 22.04.2022
Erhältlich über: Inside Job / MNRK (Bertus)

Cold Years @ Facebook
„Goodbye To Misery“ @ Amazon kaufen