Deaf Lingo – Lingonberry

Deaf Lingo
(c) Deaf Lingo

Im Herbst 2015 hatte Sandro Specchia Bock, ein paar Tracks in seiner Wohnung am Stadtrand von Mailand auf einem 4-Track-Recorder aufzunehmen. Eine Band war schnell gefunden, ein Jahr später hatten Deaf Lingo ein fixes Line-up, das bis heute hält. Das italienische Quartett steht auf dickes Schrammeln, auf Garagen-Charme, auf punkige Attitüde, auf Indie Rock und Power Pop. Mit etwas Verzögerung konnten sie im Vorjahr endlich ins Studio gehen, um ihren Zweitling einzuspielen, der erwachsener klingen und sich zugleich vom Lo-Fi-Debüt entfernen soll. „Lingonberry“ gibt sich tatsächlich angenehm lebhaft.

Zehn überwiegend kurze, direkte Kapitel – Intro eingerechnet – tanken sich durchs Unterholz. Die bedrohliche Note von „Summertime“ kommt gut, führt jedoch auf die falsche Fährte. Schnell tankt sich zackiger Punk mit Garage-Note durch, bemüht eine wohlig andere Facette und schraubt das Tempo in die Höhe. Wunderbar widerspenstiger Gesang, dezente Harmonien und etwas Dreck erzielen Harmonie. Davon hat „Sleeping“ noch mehr, bloß etwas gemächlicher. Hier kommen etwas ruhigere Rock-Spielarten zwischen Indie und Alternative durch, wobei die Italiener in unter drei Minuten eindrucksvolle Tonart- und Tempowechsel vollziehen.

Das andere Extrem ist der Titelsong, auf über fünf Minuten ausgedehnt und entfernt an leicht entschleunigte Pabst erinnernd, was wahrlich nicht die schlechteste Referenz ist. Bis der Track Fahrt aufnimmt, dauert es, die dicken Alternative-Breitseiten sowie das ausladende, ausgedehnte Gitarrensolo in der zweiten Hälfte können mit den Besten mithalten. Wieder ein paar Türen weiter erhöht „Friends“ die Schlagzahl, tankt sich mit Punk-Elan voran, gibt sich dreckig und doch sympathisch. „Push It“ kommt direkt aus der Garage, nimmt den Jahrtausendwechsel mit und behauptet sich doch mit der Punk-Ursuppe inklusive US-Einschlag. Auch das klappt prima.

Natürlich fällt dieser Zweitling sehr kurz aus, rattert in unter einen halben Stunde durch, aber irgendwie ist das auch ok. In diesem knappen Maß sagen Deaf Lingo alles und noch mehr, spielen sich frei und klingen tatsächlich eine Spur erwachsener. Der Mut zu mehr Wumms und Dreck im Sound bekommt dem italienischen Quartett sehr gut. Weiterhin spielt Punk eine zentrale Rolle, dient als musikalischer Dreh- und Angelpunkt, ohne sich in irgendeiner Form zu verbeißen. Es ist stets Raum für Ideen, für zackige Riffs und ein wenig Entschleunigung samt Riffgewalt. Nach diesem Charmebolzen sollte man Deaf Lingo definitiv auf der Rechnung haben.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 29.04.2022
Erhältlich über: Lövely Records

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