Ian Blurton’s Future Now – Second Skin
Der kanadische Rock-Veteran Ian Blurton ist seit den 80ern wichtiger Teil der nordamerikanischen Musikszene, spielte unter anderem bei C’mon, Change Of Heart und Public Animal, und produzierte so illustre Acts wie The Weakerthans und Cursed. Nebenher macht er selbst Musik, zuletzt 2019 auf seiner ersten Soloplatte „Signals Through The Flames“. Für den Nachfolger holte sich Blurton eine Band um Mitglieder von Blue Rodeo und City And Colour ins Boot. Ian Blurton’s Future Now, so der Name des neuen Halb-Solo-Projektes, widmen sich auf „Second Skin“ der weitläufigen Rock-Geschichte der 70er Jahre.
„Like A Ghost“ eröffnet mit Donnerhall und Proto-Metal. Ein gewisses NWOBHM-Faible ist bei Blurton fast immer mit dabei, und der süffige Track mit Hard-Rock-Einfluss kehrt dies wunderbar nach vorne. Einfachste Zutaten sorgen für eine kraftvolle Hymne, die für Aufbruchsstimmung steht. Im direkten Anschluss wächst der Titelsong über sich hinaus. Stolze sieben Minuten bringt „Second Skin“ auf die Waage und reichert den metallischen Retro-Sound um Punk- und Classic-Einschläge an. Gerade die kleinen Variationen in den Solopassage überraschen durch unorthodoxe Tempo-Verschärfung samt Aha-Effekt. Das Ergebnis fällt kurios und doch mitreißend aus.
Auch „Beyond Beholds The Moon“ lässt zu Beginn die Muskeln spielen und tritt verstärkte, verdichtete Gitarrenwände los. Die schiere Intensität dieses Tracks reißt nieder, während der Mittelteil durch suchende Fragilität überrascht – ein geschickt eingesetzter Stilbruch im Auge des Sturms, auf den noch mehr Wucht folgt. Hingegen weist „Traits To The Gate / Second Skin Reprise“ ein paar kleinere Problemchen auf, findet nicht so schnell in den eigenen Rhythmus, bis die beißende Düsternis doch noch an die Oberfläche schwimmt – beklemmend, gerade in Verbindung mit der Reprise. Das kurze, knackige „When The Storm Comes Home“ klöppelt hingegen alles in einen Pott und suhlt sich in bloßer Heavyness.
Zwar dauert es ein wenig, bis sich Ian Blurton’s Future Now finden, doch rücken wiederholte Durchläufe den leicht schrägen Ersteindruck sofort gerade. „Second Skin“ steht für eine greifbare Liebe zur Musik, für pure Leidenschaft und raubeinigen Esprit. Proto-Metal, Detroit-Punk und klassischer Rock geben sich die Klinke in die Hand für eine echte Liebeserklärung an eine längst vergangene Epoche, deren Nachwehen heute noch greifbar sind. Auf seinem zweiten Quasi-Solowerk zeigt sich Ian Blurton hervorragend aufgelegt, von einer starken Band entsprechend unterstützt – ein kleiner Geheimtipp eines echten Veteranen.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 15.07.2022
Erhältlich über: Pyjama Party / Seeing Red Records
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