The Flatliners – New Ruin

The Flatliners
(c) Riley Taylor

Zurück zu den Wurzeln, zurück zum Spaß: Pünktlich zum 20jährigen Bandjubiläum sind The Flatliners wieder bei Fat Wreck unterwegs und haben zugleich eine neue Platte am Start. Und die, so die Kanadier, bereitete ihnen große Freude. Nach fast 600 Tagen Zwangstrennung durch Umstände fand man sich wieder, produzierte selbst und nahm mit Freunden auf. Tatsächlich verbirgt sich einiges an Düsternis hinter diesem zurückgewonnenen Spaß an der Musik: „New Ruin“ befasst sich mit einer Welt, die gerade zusammenbricht, und greift überholte Ideologien sowie Institutionen mit einer Wut an, die man so von diesem Quartett nicht kennt.

„Performative Hours“ mischt als Opener ordentlich (Post-)Hardcore in den vertraut punkigen Mix und erinnert damit etwas an die Anfangtage, bloß noch furioser und dissonanter. Die hymnische, ultra-eingängige Auflösung im Refrain ist nur eine kurze Verschnaufpause mitten im Dauerfeuer. Auch „Rat King“ mag es laut und schroff, allerdings stärker im Punk-Sektor angesiedelt. Ein gewisser Grant bleibt in Chris Cresswells Stimmbändern hängen, immer wieder spuckt er einzelne Wortfetzen verächtlich aus, während der hymnische Hauptteil hingegen die Abrissbirne um Eingängigkeit erweitert.

Zu den interessantesten neuen Tracks zählt sicherlich „Heirloom“, laut Cresswell ‚ein Hassbrief an die vergangene Generation‘, die ihre Nachfolger im Stich ließ. Die scharfkantige Hymne häutet sich in kurzer Zeit mehrfach, zwischenzeitlich werden Erinnerungen an direkte Coheed And Cambria wach. Nicht ganz so heavy und vielschichtig, dennoch spannend: „It’ll Hurt“, eine sorgsam eingefädelte Midtempo-Nummer mit harmonischen Untertönen, mit einer Prise Hoffnung, mit großen Rock-Momenten – Alternative Rock der radiofreundlichen und doch eigenständigen Sorte. „Under A Dying Sun“ will nicht nur aufgrund seiner stattlichen Länge aus vorhersehbaren Mustern ausbrechen. Die Laut-Leise-Dynamik gelingt hervorragend, mit Schaum vorm Mund zerlegen The Flatliners die Ausrüstung.

Tatsächlich wirkt das Quartett so furios, spielfreudig und beißend wie lange nicht. In „New Ruin“ schwingen unheimlich viel Frust und aufgestaute Wut mit, aber eben auch Hoffnung auf bessere Zeiten und das unbändige Streben nach einem schöneren Morgen und Übermorgen. Ob es dafür zu spät ist oder nicht, das sei dahingestellt, doch sorgen The Flatliners mit ihrem ersten regulären Album seit viel zu langer Zeit für etwas Euphorie mitten in der Tristesse. Der Post-Hardcore-Esprit eckt zudem gekonnt an, ohne vertraute Punk-Sounds komplett hinter sich zu lassen – eine wunderbare Weiterentwicklung nebst Rückgriff für ein kompaktes, rasantes, betont aufwühlendes Werk echter Veteranen, die sich zum runden Geburtstag das schönste Geschenk machen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 05.08.2022
Erhältlich über: Fat Wreck Chords (Edel)

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